Bundesparteitag der Piraten:"Ihr seid resistent gegen Kritik"

Lesezeit: 2 Min.

Streit gab es genug, Redebedarf auch. Doch von großer Aussprache ist bei den Piraten trotzdem nichts zu merken, als sich der Vorstand um Bernd Schlömer und Johannes Ponader vor dem Parteitag in Bochum der Basis stellt. Statt Argumenten gibt es ein Phrasengewitter - bis der Hausmeister die Veranstaltung beendet.

Hannah Beitzer, Bochum

"Wir müssen zur Bundestagswahl ein Programm haben": Bernd Schlömer, Vorsitzender der Piraten Piraten (r.) mit Vizechef Markus Barenhoff. (Foto: dapd)

Die Piraten sind im Wahlkampf angekommen. Am Freitag vor ihrem großen Programmparteitag zum Beispiel sitzen vier Mitglieder des Piraten-Vorstands auf einer Bühne im Bochumer Jahrhunderthaus und erklären in feinster Politiker-Manier, wie sie die Welt sehen.

Eigentlich sollte dieser Abend eine Aussprache sein, der vielgescholtene Bundesvorstand wollte sich der Basis stellen. Die hatte in den vergangenen Monaten viel zu meckern: Skandal folgte auf Skandälchen, es gab gegenseitige Beschimpfungen via Twitter, Rücktritte und Rücktrittsforderungen.

Trotzdem sind in Bochum eher vertonte Pressemitteilungen zu hören. "Ich bin bereit, mit den Kollegen die nächsten zwölf Monate ernsthaft und konstruktiv zusammenzuarbeiten", sagt Piraten-Chef Bernd Schlömer.

Sinkende Umfragewerte? "Das sind nur augenblickliche Aufnahmen. Wir hatten bewegte Zeiten, das war nicht ungewöhnlich, dass wir in der Zustimmung absanken." Und: "Wir haben ideale Voraussetzungen, in den deutschen Bundestag einzuziehen."

Der Streit mit seinem Vorstandskollegen Johannes Ponader, wegen dem Beisitzer Matthias Schrade sogar zurücktrat? Alles wieder gut. Man müsse jetzt wieder nach vorne sehen und nicht mehr über unglückliche Aussagen wie Schlömers "Johannes soll mal was arbeiten" sprechen.

Eine Aussprache, das wird ziemlich schnell klar, ist das nicht. Der Piratenvorstand liefert an diesem Abend ein Phrasengewitter, wie es gestandene Berufspolitiker nicht besser könnten: "Vertrauen ist die Grundlage, als Team politisch zu handeln", heißt es da. Tatsächlich?

Rücktritte, Skandale und Skandälchen
:Was die Piraten bremst

Erst ging's hoch nach oben - dann steil bergab. Die Piraten haben ein aufregendes Jahr hinter sich. Auf die überraschenden Wahlsiege bei mehreren Landtagswahlen folgten Rücktritte, interne Querelen und Erschöpfung. Was den Piraten am meisten zu schaffen macht.

Hannah Beitzer

Die Basis protestiert nur verhalten. Lediglich einzelne Aufmüpfige stellen die Fragen, die in den vergangenen Wochen durchs Netz geisterten: Wird Johannes Ponader zurücktreten? Wird es vor der Bundestagswahl noch eine Vorstandswahl geben?

"So wichtig sind wir nun auch wieder nicht", entgegnet Schlömer. "Wir müssen bis zur Bundestagswahl ein Programm haben." Auf dem Bundesparteitag soll es zwar eine Abstimmung geben, ob sich der nächste Parteitag ums Programm oder um Personalien drehen wird - doch die Mehrheit der Mitglieder habe sich, so betonen es die Vorstände, ohnehin schon für einen Programmparteitag ausgesprochen.

"Wie kann ich dafür sorgen, dass Ihr zurücktretet", ruft ein Mitglied in Richtung Bühne. "Ihr könntet ein Parteiausschlussverfahren beantragen oder das Schiedsgericht um die Aberkennung des Amtes anrufen oder zehn Prozent der Mitgliederstimmen für einen Sonderparteitag sammeln und den zum Wahlparteitag machen. Oder morgen Sachen in die Satzung einbauen, die sonstige Wege ermöglichen", rattert der stellvertretende Parteivorsitzende Markus Barenhoff herunter.

"Mein Problem ist, dass ihr resistent geworden seid gegen Kritik", versucht es ein anderes Mitglied. "Geht doch nicht immer auf Abwehr. Und die Sprüche, die ihr anbringt, die klingen so abgesprochen. Wir sind doch nicht die Presse, wir sind Eure Basis, wir sind Piraten." Es klingt verzweifelt. Die Partei, die einst angetreten war, um alles anders zu machen, macht an diesem Abend doch vieles so wie die anderen: miese Umfragewerte schönreden, Standardformulierungen vorbringen, Meinungsverschiedenheiten kleinmachen.

Zwei Stunden sitzt die Parteispitze die Aussprache mit der Basis aus - fest entschlossen, keine Flanken mehr offen zu lassen. Dann beendet zu ihrem Glück der Hausmeister der Halle die Veranstaltung: "Raus, raus, Ihr müsst jetzt alle raus", schreit er. Der Saal werde anderweitig gebraucht. Wirklich traurig über das plötzliche Ende ist kaum einer.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: