Bundesnachrichtendienst:BND-Chef Schindler: Bilanz einer Amtszeit in einem gefährlichen Job

BND Gerhard Schindler

Gerhard Schindler wurde Anfang der Woche ins Kanzleramt gebeten. Dort erfuhr er, dass er abgelöst werde.

(Foto: Carsten Koall/Getty)
  • Gerhard Schindler, der seit 2012 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist, muss seinen Posten aufgeben. Sein Nachfolger wird Bruno Kahl.
  • Während seiner Amtszeit wurde bekannt, dass der BND auch Einrichtungen befreundeter Staaten ausspioniert hat.
  • Bis zuletzt stand offenbar nicht fest, ob er im Amt bleiben darf oder nicht.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Gefahren aller Art sind die Geschäftsgrundlage des Geheimdienstbetriebs. Und die Chefs dieser Einrichtungen wissen schon bei Amtsantritt, dass ihnen künftig unterschiedliche Gefahren drohen werden: von innen, von außen, von unten, von oben - eigentlich von überall.

Mit dem Spruch "No risk, no fun" begann Gerhard Schindler, heute 63, Anfang Januar 2012 seine Zeit als elfter Präsident in der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND). Er meinte damit: Der BND müsse risikofreudiger werden. Vor allem in den Krisengebieten der Welt. An Risiken war dann in der Tat kein Mangel, an Spaß manchmal schon.

Jetzt soll für ihn nach Informationen von SZ, NDR und WDR Schluss sein. Schindler wurde Anfang der Woche ins Kanzleramt gebeten. Dort erfuhr er, dass er abgelöst werde. Sein Nachfolger soll jemand sein, der in der Geheimdienst-Community bislang keinen großen Namen hat: Bruno Kahl, 53, ein Vertrauter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Kahl ist derzeit Leiter der Abteilung VIII, Privatisierungen, Beteiligungen und Bundesimmobilien, im Bundesfinanzministerium.

Altmaier wollte keinen Diplomaten als BND-Chef

Politische Beamte wie Schindler können jederzeit ohne Angabe von Gründen entlassen werden, aber die Ablösung gestaltete sich in diesem Fall schon recht kompliziert: Seit einer Weile schon suchte das Kanzleramt nach einem Nachfolger für Schindler. Gleichzeitig gab es die Überlegung, dass er doch im Amt bleiben könne. Seltsame Spiele liefen da ab, nicht alle davon haben die Schwelle der Sichtbarkeit erreicht. Einer der wenigen Eingeweihten erklärte vor Tagen im Hintergrundgespräch: "Wenn Sie jetzt schreiben, dass für Schindler ein Nachfolger gesucht wird, kann das auch falsch sein."

Auf die Suche nach dem zwölften Präsidenten des Auslandsnachrichtendienstes hat sich unter anderem Kanzleramtsminister Peter Altmaier gemacht. Die Spitze des Auswärtigen Amtes war informiert, und Schäuble mischte kräftig mit. Altmaier soll diverse Personalvorschläge bekommen haben, auch ungebetene. Vorsichtige Versuche des Außenministeriums, mal wieder einen Diplomaten auf den Chefsessel zu befördern, blockte Altmaier ab.

Schindler bekam viel Lob

Schindler sprach schon vor Wochen mit ihm und dem für die Nachrichtendienste zuständigen Staatssekretär, Klaus-Dieter Fritsche, über die Lage. Er fühle sich nach überstandener Krankheit wieder fit, lautete Schindlers Botschaft. Er wollte bleiben. Bei der Bundeswehr war er als junger Mann Fallschirmjäger. Das sind Soldaten, die hinter die feindlichen Linien springen und dann rasch auf dem Boden die eigenen Truppen finden müssen.

Aber wer ist in der Welt der Dienste Freund, wer ist Feind? Es gab immer wieder mal Kritik an Schindlers Amtsführung, aber es gab auch viel Lob. Schindler sei einer der besseren BND-Präsidenten, sagte vor Kurzem ein Entscheidungsträger, der, als er das sagte, von der Suche nach dem Nachfolger wusste.

Bundesnachrichtendienst: Hat in der Geheimdienstwelt bisher keinen großen Namen: der designierte BND-Präsident Bruno Kahl.

Hat in der Geheimdienstwelt bisher keinen großen Namen: der designierte BND-Präsident Bruno Kahl.

(Foto: OH)

Vielleicht muss man sein Berufsleben im Sicherheitsapparat verbracht haben, um solche Kapriolen zu verstehen. Der Freidemokrat Schindler steht schon seit vielen Jahrzehnten aufseiten der Sicherheitsbehörden: Bundesgrenzschutz, Verfassungsschutz, Bundesinnenministerium - das waren einige seiner Stationen. Vor der Berufung zum BND-Chef war der Jurist Schindler Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Innenministerium gewesen. Kahl, auch Jurist, aber zehn Jahre jünger als sein Vorgänger, war mal Sprecher im Innenministerium und von 2006 bis 2009 Leiter des Leitungsstabes des Ministeriums.

Schindler verschwieg jahrelang, dass der BND Freunde ausspähte

Nach jedem Desaster oder auch nur kleineren Problem in der Geheimdienstwelt gibt es eine immer gleiche Frage: "Wer ist schuld?" Der Präsident, oder die letzte Charge, die Bockmist gebaut hat?

Als es vor ziemlich genau einem Jahr in Sachen Dienste in Berlin hektisch herging, wurde es für Schindler schon mal eng. Damals war herausgekommen, dass der BND in seiner Abhörstation im oberbayerischen Bad Aibling Suchbegriffe der amerikanischen NSA eingesetzt hatte, um europäische Verbündete auszuspionieren. Die Regierung in Berlin wusste angeblich nichts davon, die Kanzlerin ließ mitteilen, man habe schwere "technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert".

Das klang nicht gut, aber Schindler durfte dennoch bleiben. Und schließlich musste die Regierung Monate später auch noch eingestehen, dass der BND selbst US-Einrichtungen und europäische Verbündete ausspioniert hatte. Das hatten sowohl Schindler, aber vor allem das Kanzleramt dem Parlament und der Öffentlichkeit jahrelang verschwiegen. Erst als Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR die Regierung damit konfrontierten, wurde eilig das Parlament unterrichtet.

Der BND ist berüchtigt für seine Intrigen

Von Angela Merkel stammt der schöne Satz: Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht. Ihr Geheimdienst aber richtete die Antennen auf die UN, das US-Außenministerium, das Innenministerium in Wien, das Außenministerium in London, eine Vertretung des Vatikan und angeblich auch auf das Büro des israelischen Ministerpräsidenten. Die Liste umfasst 644 diplomatische Vertretungen von EU- und Nato-Staaten. Schindler hat beteuert, von dieser Praxis erst im Herbst 2013 erfahren und sie dann in Absprache mit dem Kanzleramt beendet zu haben.

Der Auslandsdienst hat einen Präsidenten, drei Vizepräsidenten und zwölf Abteilungsleiter. Der Apparat ist nie nur ein einfacher Apparat. Der BND ist berüchtigt für seine Intrigen. In dieser Umgebung hat sich Schindler in der Zeit, in der die Geheimdienstwelt von den Enthüllungen Edward Snowdens erschüttert wurde, nicht so schlecht geschlagen. Eigentlich wollte der Noch-Präsident, ein hemdsärmeliger Mann, der krachend lachen kann, noch die "mentale Veränderung des Dienstes" vorantreiben. Dazu wird er wohl keine Gelegenheit mehr bekommen.

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