Süddeutsche Zeitung

Deutsche Marine: Technische Pannen:Schiffe, die kein Wasser vertragen

Das Getriebe knirscht, die Kupplung versagt, die Elektronik spinnt: Fünf moderne Korvetten sollten der Stolz der Marine sein - aber die 1,2 Milliarden teuren Schiffe machen vor allem Ärger. Das Verteidigungsministerium steht vor einem Desaster - dabei sind die Probleme hausgemacht.

Hans Leyendecker

"Fortune, gute Fahrt, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und stets eine gesunde Heimkehr!" - Thomas Kossendey, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, äußerte bei der Taufe einer Korvette der neuen Klasse 130 im Juni 2007 viele gute Wünsche für die Besatzung des Kriegsschiffs. Fünf solcher Korvetten sollten seit 2009 am Horn von Afrika und vor der libanesischen Küste im Einsatz sein. Wendig wie ein Schnellboot und fast so wirksam wie die größeren Fregatten sollen sie gegen Piraten und Waffenschmuggler operieren.

Anlässlich der Taufe lobte der Staatssekretär das 1,2 Milliarden Euro teure Projekt als "Beweis für das große Leistungsvermögen der deutschen Werftindustrie". Doch das Lob war ein bisschen voreilig; das Projekt ist zu einem Desaster geworden.

Keine der fünf Korvetten, die vor vier Jahren noch als die "modernsten Kriegsschiffe der Nato" gefeiert wurden, ist bis zum heutigen Tag einsatzbereit: Mal brach eine Antriebswelle, dann gab es Probleme mit der Elektronik, und das Getriebe hat eine eigene, ganz lange, knirschende Geschichte. Neuerdings machen die Kupplungen der Schiffsgetriebe Sorgen. Manchmal auch waren einfach nur Schrauben locker.

Die Zukunft der K130 ist immer noch ungewiss. Nach Recherchen des NDR-Fernsehmagazins Panorama Nord, das am Dienstagabend über den Fall berichten will, geht das Flottenkommando derzeit davon aus, dass das Geschwader erst 2014 einsatzfähig sein wird. Die Belastungen seiner übrigen Besatzungen seien "ungleich höher", weil die Korvetten weiterhin nicht zur Verfügung stünden, stellte Marine-Inspekteur Axel Schimpf fest. Mit dem alten Fußballer-Bonmot: "Manchmal gibt es Pech, dann kommt das Unglück noch hinzu", kommentiert Kossendeys Staatssekretär-Kollege Stéphane Beemelmans in der TV-Sendung die Angelegenheit. Der Fall sei "unerfreulich".

Einerseits sind die traurigen Korvetten in den deutschen Häfen Symbol für die vielen maladen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr, andererseits scheinen insbesondere diese Probleme hausgemacht zu sein. Das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wurde zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung bei der Planung der Korvetten weitgehend außen vor gelassen. "Auf die Vorgabe von Konstruktionsprinzipien und Bauvorschriften wurde so weit wie möglich verzichtet", notierte vor neun Jahren der zuständige Planungschef im Bundesamt. Durch die Privatisierung des Projekts und den Verzicht auf Kontrolle durch den Bund sollte das Projekt schneller umgesetzt werden - und billiger sein. Das war ein Irrtum.

Ein bisschen Pech ist auch dabei - fehlerhafte Getriebe für die Schiffe mussten allesamt aufwendig ausgebaut und erneuert werden. Sie stammten von einem Schweizer Hersteller, der sich auf einen mittlerweile insolventen Unterlieferanten in Polen verlassen hatte. Der Schweizer Hersteller wiederum wurde inzwischen vom deutschen Konkurrenten Renk AG übernommen, dessen Getriebe-Offerte seinerzeit dem für den Bau der Korvetten zuständigen deutschen Werften-Konsortium zu teuer gewesen war.

Es knackt und knirscht nicht nur das Getriebe; zumindest für Laien sind die Reparaturarbeiten ziemlich unübersichtlich geworden. Zwei der Schiffe sind zwar in Dienst gestellt; das meint aber nicht, dass sie auch tatsächlich einsatzfähig sind. Immer wieder mal laufen sie zu Probefahrten ins Kaltwasser oder ins Warmwasser aus, um dann meist krank zurückzukehren.

So gab es im Februar dieses Jahres bei einer neuen Erprobungsfahrt in der Nordsee Probleme mit der Klimaanlage, weil bei der Konstruktion der Schiffe offensichtlich nicht ausreichend an eine ordentliche Lüftung gedacht worden war. Im Schiff bildeten sich Schimmel und Schwitzwasser. Vor Jahren hatten Schwaden von Abgasen im Unterdeck bei einer Besatzung Übelkeit erzeugt. In dieser Woche laufen zwei Schiffe zu einer Erprobungsfahrt in tropische Gewässer aus und ein Marine-Offizier prophezeit prompt Probleme mit der Hitze.

Bei Hafenrundfahrten in Deutschland sind die meist am Pier liegenden Korvetten zur Attraktion für Touristen geworden - es hagelt dann meist Spott. "Das ist der neue Stolz der Bundesmarine. Gefahren ist das Ding noch nie", lautet der Standardsatz der Barkassenkapitäne.

Auf einer Marine-Messe in Hamburg Mitte Juni machte Marine-Inspekteur Schimpf am Stand eines großen deutschen Schiffbauers klar, wie unzufrieden er mit dem Ewig-Projekt K 130 sei: "Das ist für uns alle sehr misslich, am meisten für Sie, das sehen wir auch so", antwortete ein Firmensprecher. Die Aufsicht müsse künftig "vielleicht auch etwas robuster organisiert werden", konstatiert Schimpf.

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SZ vom 21.06.2011/mikö
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