Föderalismus:16 Bundesländer minus X

Föderalismus: Die Rheinbrücke im baden-württembergischen Rheinfelden mit den Flaggen der 16 Bundesländer

Die Rheinbrücke im baden-württembergischen Rheinfelden mit den Flaggen der 16 Bundesländer

(Foto: Imago Stock&People)

Nur noch sechs Bundesländer? Die Neuordnung der Bundesrepublik, wie sie die saarländische Ministerpräsidentin ins Spiel bringt, ist überfällig. Die Fusion von Ländern macht deren Zukunft besser.

Kommentar von Heribert Prantl

Der Föderalismus könnte ein deutsches Glück sein, aber er ist ein deutsches Unglück. Er könnte stark und gut sein, weil das föderale Prinzip eigentlich stark und gut ist; aber er ist es nicht, er ist nur so stark wie seine schwächsten Glieder. Der Föderalismus ist also nicht so kräftig wie Baden-Württemberg, Bayern oder Niedersachsen; er ist so entkräftet wie das kleine Bremen, so bankrott wie das Saarland und so hilfsbedürftig wie Berlin.

Die Schwäche gebiert Verzweiflung: Das Saarland bettelt soeben darum, dass die anderen Länder seine Altschulden übernehmen. Und Bremen versucht soeben, Geld dergestalt zusammenzukratzen, dass man die Deutsche Fußball-Liga für die Polizeieinsätze bei Fußballspielen in Bremen bezahlen lassen will. Pecunia nervus rerum, heißt es bei Cicero: Das Geld ist der Nerv der Dinge. Länder wie Bremen oder das Saarland haben diesen Nerv schon lang nicht mehr. Dieser Nerv wächst auch nicht mehr nach. Wachsen müssen stattdessen die Länder: Sie müssen sinnvoll fusionieren. Das nimmt ihnen nichts von ihrer Eigenart, nichts von ihrer Geschichte, nichts von ihrer Liebenswürdigkeit; das macht ihre Zukunft nicht schlechter, sondern besser.

Sechs Bundesländer könnten genügen

Der Föderalismus konstituiert Gewaltenteilung. Die alte, klassische Form der Gewaltenteilung funktioniert in der heutigen parlamentarischen Demokratie nicht mehr gut, weil Regierung und Parlamentsmehrheit politisch identisch sind; die Mehrheit im Parlament kontrolliert die Regierung nicht wirklich. In dieser Situation sorgt der Föderalismus für eine andere Form der Gewaltenteilung. Wenn sich der Föderalismus aber zerkrümelt, wenn ein Teil der Länder am Tropf des Bundes hängt, funktioniert diese Machtbalance nicht. Mit dem real existierenden Föderalismus verhält es sich daher so, wie es sich seinerzeit mit dem real existierenden Sozialismus verhalten hat: Er ist weit weg von seinen Idealen. Man liebt den Föderalismus in der Theorie und in der Nostalgie, aber nicht in der Praxis.

Es hat in den vergangenen Jahrzehnten - um den Föderalismus lebensnäher und lebensdienlicher zu machen - etliche große Föderalismusreformen gegeben samt einschlägiger Kompetenzverschiebungen. Am Elend des deutschen Föderalismus hat sich nichts geändert. Dieses Elend besteht zumal darin, dass es zu viele Länder gibt - Länder, die zwar schön, aber allein nicht lebensfähig sind. Solange es keine vernünftigen Zusammenlegungen von Bundesländern gibt, werden Föderalismusreformen nur so funktionieren, wie man es vom Straßenbau kennt: Da wird aufgerissen, da wird irgendwas neu verlegt, dann wird wieder zugeschüttet und zugeteert. Wenig später wird alles von Neuem aufgerissen: Die Reform muss reformiert werden.

Die große Tragödie des deutschen Föderalismus begann im Mai 1996. Damals misslang ein großes Zukunftsprojekt, die Vereinigung von Berlin und Brandenburg; es scheiterte an der Volksabstimmung darüber. Die vielen guten Argumente für das Miteinander hatten den Kopf der Menschen erreicht, aber nicht das Herz. Was helfen schlankere Verwaltungsstrukturen, wenn die Menschen Angst haben vor Übervorteilung und Identitätsverlust? Es war damals, 1996, wohl zu früh für diese Entscheidung - weil die deutsche Einheit noch wenig entwickelt war. Hätten damals Brandenburg und Ostberlin fusionieren wollen, das Vorhaben hätte damals wohl eine Mehrheit gefunden. Heute würde vielleicht das gesamte Fusionsprojekt eine Mehrheit finden -aber das Scheitern von 1996 hat alle Gedanken an eine Neugliederung des Bundesgebiets unter sich begraben. Das Desaster von damals sollte aber nicht das letzte Wort sein.

Milchstraße aus 16 Sternen

Die Neugliederung des Bundesgebiets ist eigentlich ein Auftrag des Grundgesetzes; ein einziges Mal ist er erfüllt worden - beim Zusammenschluss von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern im Jahr 1952. Seitdem gibt es quer durch alle Parteien eine starke Allianz des Widerstands, weil jede Veränderung eine Umverteilung politischer Macht bedeutet. Wer Neugliederung will, riskiert also seine politische Pfründe. Wer sie aber blockiert - der riskiert den Untergang des deutschen Föderalismus. Gewiss: Deutsche Kleinstaaterei hat Tradition; die Machtinteressen unzähliger Herrschaften haben aus Deutschland über Jahrhunderte hin eine politische Milchstraße gemacht. Aus der Milchstraße ist heute ein Sternbild aus 16 Sternen geworden; aber davon leuchten nicht sehr viele.

Vor zweihundert Jahren hat der Reichsfreiherr vom und zum Stein versucht, das Deutsche Reich in sechs Kreise zu gliedern. Er ist gescheitert. Manche Dinge brauchen viel Zeit. Es ist Zeit.

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