Bundeskanzlerin Merkel:Werbeauftritt fürs Impfen

Merkel besucht Robert Koch-Institut RKI

"Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto freier und selbst bestimmter werden wir wieder leben": Kanzlerin Merkel im Robert-Koch-Institut.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Angela Merkel und Jens Spahn besuchen das Robert-Koch-Institut. Sie haben keine guten Nachrichten, aber viele schöne Sätze mitgebracht.

Von Angelika Slavik, Berlin

Es ist ja nicht so, als hätte der Chef keine Routine mit Pressekonferenzen. Eine ganze Pandemie lang schon sitzt Lothar Wieler praktisch Woche für Woche neben dem Bundesgesundheitsminister, erklärt die Lage, warnt, mitunter versteigt er sich in spektakuläre Metaphern von unter Wasser gedrückten Luftballons und Handbremsen auf Bergstraßen. Aber das macht er immer in der Bundespressekonferenz, einem Ort, der nur für Pressekonferenzen gedacht ist. An diesem Dienstag aber soll Wieler in seinem Haus zur Presse sprechen, im Robert-Koch-Institut in Berlin. Die Kanzlerin ist da, der Bundesgesundheitsminister sowieso, sie haben über die Strategie für den Herbst diskutiert und für Punkt zwölf Uhr mittags die Presse eingeladen.

Um 11.57 Uhr wird im für die Pressekonferenz umfunktionierten Hörsaal noch an der Kulisse gebastelt. Im Hintergrundplakat ist eine Beule, dann klafft ein Loch, für den Metaphernkönig Wieler wäre das ein schönes Schaubild für den Kampf gegen das Virus, wo es auch immer an allen Ecken und Enden nicht reicht.

Dass die Kanzlerin das RKI besucht, ist zum einen als Geste gedacht: In der Pandemie profitiere man unheimlich von der Arbeit und dem Fachwissen der Wissenschaftler hier, sagt Angela Merkel, als sie schließlich vor einem makellosen Hintergrundplakat sitzt, dafür gebühre allen Mitarbeitern ein großer Dank. Aber natürlich ist das hier auch ein Werbeauftritt: Die Kanzlerin will die Bevölkerung fürs Impfen begeistern. Für die Wissenschaft. Will der Impfmüdigkeit entgegentreten, bevor die sich überhaupt richtig ausbreiten kann. Das Impftempo in Deutschland hat zuletzt nachgelassen. Es gibt jetzt Impfstoff in rauen Mengen und viele freie Termine.

"Das Virus macht keine Pause, es gönnt auch uns keine Pause", sagt RKI-Chef Wieler.

Man will das Impfen den Menschen nun so einfach wie möglich machen

Merkel erinnert an die dritte Welle. Sie sagt, die sei ja nicht so schnell gebrochen worden, "weil wir hier alles so fein im Griff hatten". Es sei die Impfung gewesen, die Wirkung gezeitigt hätte, deshalb rufe sie die Menschen auf, sich unbedingt impfen zu lassen. Weil man damit sich selbst schütze, weil man andere schütze, aber auch, weil das der einzige Weg zu so viel Freiheit wie möglich sei: "Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto freier und selbstbestimmter werden wir wieder leben."

Das Leben von Jens Spahn war zuletzt von einer Menge Kritik bestimmt, von der Opposition bis zum Rechnungshof sind ständig alle unzufrieden mit ihm. Dass er zu sehr auf die Schlagzeilen schiele, der Vorwurf begleitet ihn, aber vielleicht muss man auch einfach nur anerkennen, dass er ein Talent zur süffigen Formulierung hat: "Gelegenheit macht Impfung" ist zum Beispiel ein sehr schöner Satz. Der Bundesgesundheitsminister will damit sagen, dass man es den Menschen nun so einfach wie möglich machen will, zu einer Impfung zu kommen. Am Ikea-Parkplatz, im Schützenverein, im Einkaufszentrum, am Sportplatz. "Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt", sagt die Kanzlerin.

Die Impfbereitschaft sei in der Bevölkerung eigentlich sehr hoch, sagt Merkel, es gehe nun einfach darum, alle zu erreichen. RKI-Chef Wieler sagt, man habe mit dem "aufsuchenden Impfen" gute Erfahrungen gemacht. Es gebe Menschen, die gingen einfach nicht zum Arzt, aber wenn die Impfung zu ihnen käme, dann wären sie durchaus bereit, diese Angebote wahrzunehmen.

85 Prozent Impfquote bei den 12- bis 59-Jährigen, 90 Prozent bei den Älteren, das ist die Zielmarke, die die Deltavariante verlangt, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird - so haben es die RKI-Forscher berechnet. Das ist eine heftige Zielmarke. Damit sie erreicht wird, soll nun jeder und jede zum Impfbotschafter werden, so stellt Angela Merkel sich das vor: Sie beantworte so viele Fragen wie möglich, sagt die Kanzlerin, aber manchmal seien Argumente eben überzeugender, wenn sie vom Sohn, von der Kollegin, von sonst jemandem aus dem eigenen Umfeld kämen. Deshalb möge man doch bitte intensiv im eigenen Bekanntenkreis darüber reden, Werbung machen, von eigenen Erfahrungen berichten. Mit Abstand allerdings, denn die Regeln werde man wohl weiterhin aufrechterhalten müssen, heißt es hier: Abstand halten, Maske tragen, Hände desinfizieren, das ist der ewige Corona-Jingle.

"Die Pandemie ist nicht vorbei", sagt Angela Merkel, und Jens Spahn will noch darauf hinweisen, dass Kinder unter zwölf Jahren noch gar keine Möglichkeit haben, geimpft zu werden. Dass sie einiges ausgehalten haben in den vergangenen Monaten und dass sie nun nicht vergessen werden dürften. Was das konkret bedeutet, sagt er nicht, aber es ist immerhin sehr schön formuliert, und die Pandemie bleibt ja noch ein bisschen.

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