Gerade vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs sei dies eine brisante Frage gewesen. Dies erklärt Eder zufolge auch, warum man in einem amerikanischen Holocaust-Museum die Leistungen der Bundesrepublik gewürdigt sehen wollte.
Kohl beauftragte ausgerechnet den CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Petersen, um auf den Gründungsrat des Holocaust-Museums im Sinne Bonns einzuwirken. Auch von dem gebürtigen Hamburger sind judenfeindliche Ansichten dokumentiert. Petersen forderte, man müsse "die einflussreichen Juden in Amerika befriedigen oder mindestens neutralisieren". Gelinge das nicht, würde das deutsch-amerikanische Verhältnis "wirksam vergiftet werden".
Petersen war in seiner Jugend glühender Anhänger der NS-Ideologie und hatte eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) besucht, eine der Eliteschulen, in denen das Hitler-Regime die braune Elite der Zukunft heranzüchten wollte.
Auch der damalige bundesdeutsche Botschafter in Washington, Günther van Well, vertrat offensichtlich ähnlich krude Ansichten. Der Diplomat, der zuvor während der sozialliberalen Jahre als Staatssekretär bei Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher fungierte, sprach vom Einfluss "jüdischen Geldes" im amerikanischen Wahlkampf. Juden, die den nationalsozialistischen Vernichtungswahn überlebt hatten, schmähte er als "Holocaust-Eiferer".
All die politischen Klimmzüge von Kohls Leuten gegen die entstehende Erinnerungskultur richteten nichts aus. In Washington wurde 1993 das Holocaust-Museum eröffnet, auch an fast zwei Dutzend anderen Orten in den USA wird inzwischen an die systematische Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden durch die Deutschen erinnert.
Die Auseinandersetzung mit der Schoa-Erinnerung in den USA hält Historiker Eder mitentscheidend für den signifikanten Wandel der Geschichtspolitik der Regierung Kohl in den neunziger Jahren. "Man musste einsehen, dass man diese Erinnerung im Ausland nicht steuern konnte", sagt der Forscher, der das Thema in seinem Buch "Holocaust Angst" behandelt.
Irgendwann kam das Einsehen im Kanzleramt
Die von Kohl und seinen Leuten befürchtete Ruf-Schädigung trat nicht ein - das Gegenteil war der Fall. Es wirkte im Inland wie im Ausland positiv, dass man in Deutschland die braune Vergangenheit mittlerweile schonungslos aufarbeitet.
Das sah man Eder zufolge irgendwann auch im Kanzleramt ein: "Man erkannte, wie wichtig eine unzweideutige Beschäftigung mit dem Holocaust für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland war."