Süddeutsche Zeitung

Bundeshaushalt:Volle Kassen

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Viel Geld - sogar für das Reeperbahnfest: Finanzminister Scholz präsentiert dem Parlament sein erstes Budget und kann es sich leisten, großzügig zu sein. Noch.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es ist ungewöhnlich, wenn sich eine Debatte im Bundestag darum dreht, aus dem Vollen zu schöpfen. So wie an diesem Dienstag. Die Abgeordneten streiten darüber, wie das viele Geld im Bundeshaushalt des Jahres 2019 - eine Rekordsumme von 356 Milliarden Euro - ausgegeben werden soll. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagt zufrieden, seine Pläne zeigten, "dass da ganz viele Dinge gleichzeitig möglich sind". Europa, Soziales, Sicherheit und Entwicklungshilfe, alles werde vorangebracht. Ebenso vollmundig geht es zuweilen beim verbalen Schlagabtausch zu. SPD gegen AfD, Grüne gegen Union, FDP gegen Regierung - es scheint kaum vorgegebene Grenzen zu geben.

Zunächst nimmt sich SPD-Haushälter Johannes Kahrs seinen Vorredner Peter Boehringer von der AfD vor. "Wenn Sie was Sinnvolles hätten erzählen wollen, dann hätten Sie uns sagen können, wo die schwarzen Kassen bei der AfD sind", sagt Kahrs in Richtung der "aus dem Ausland finanzierten Rechtsradikalen". Zuvor hatte sich der AfD-Haushälter zu der Behauptung verstiegen, die Haushaltsplanung der Bundesregierung richte sich "gegen das deutsche Volk". Diese Wortwahl ist unter den Parlaments-Rechtsaußen nicht neu, kommt aber an diesem Dienstag besonders schräg daher: Die AfD steckt mitten in einem Skandal um Parteispenden aus dem Ausland, die womöglich deutschen Gesetzen und damit dem Volkswohl nicht entsprechen. Das hat Boehringer in seiner Rede freilich nicht erwähnt.

Es werde gut weitergehen, sagt Scholz, aber nicht mehr ganz so gut

Die Grünen-Haushälterin Anja Hajduk wiederum macht keinen Hehl daraus, dass die sich anbahnenden neuen Beziehungen der Grünen zur Union keineswegs nur lustvolle sind. "Hören Sie mal zu", ruft Hajduk den Unionskollegen zu, als die gegen die Idee des SPD-Finanzministers wettern, eine Art europäischer Arbeitslosenversicherung zu einzuführen. Man höre "immer nur reflexhafte ideologische Bemerkungen" von der Union, nimmt die Oppositionelle Hajduk Scholz gegen dessen eigene Koalitionspartner in Schutz. Es sei "grotesk", dass die Union sage, dieser Plan überzeuge sie nicht, "obwohl wir im eigenen Land davon profitieren". Wer geglaubt hat, dass sich die Grünen im Umfragehoch schon zum natürlichen Regierungspartner der Union entwickeln, sieht im Bundestag, dass sich beide noch bewegen müssen, wenn sie im Bund koalieren wollen.

Olaf Scholz beendet seinen Auftritt mit einem Dank an die Abgeordneten, dass sie "diesen Haushalt noch besser gemacht haben". Man könnte auch sagen, dass der Minister den Abgeordneten dankt, dass sie den Planungen aus seinem Haus zugestimmt haben. Dafür hat er ihnen auch einige kleine Geschenke gemacht, die daheim in den Wahlkreisen gut ankommen. Es gibt zwei Millionen Euro für das Reeperbahnfest in Hamburg, 16 Millionen Euro für das Beethovenjubiläum, insgesamt 59 Millionen Euro an Zuschüssen für Musik, Literatur, Tanz und Theater.

Scholz hat mit der Planung für 2019 seinen ersten eigenen Haushalt als Finanzminister aufgestellt. Das erfüllt ihn ganz offensichtlich mit Stolz. "Deutschland erfüllt jetzt die Maastricht-Kriterien", sagt er. Erstmals seit dem Ausbruch der Finanzkrise ist die gesamte Staatsverschuldung wieder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesunken. Die Drei-Prozent-Neuverschuldungsgrenze ist ohnehin übererfüllt, weil Scholz überhaupt keine neuen Schulden machen will. Beides kann der Minister auf der Haben-Seite seiner SPD verbuchen. Und weil die Sozialdemokraten Lob fürs Regieren derzeit gut gebrauchen können, zählt er noch auf, was die große Koalition fürs Soziale tut: Familienpaket, paritätische Beiträge zur Krankenversicherung, geringerer Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, stabile Renten, sozialer Wohnungsbau - es hört sich an, als lese Scholz das Parteiprogramm vor.

Man merke ja, er rede ein bisschen erkältet, "aber das ist kein symbolischer Beitrag zur Entwicklung der nächsten Jahre", leitet der Finanzminister über in die Zeit nach 2019. Es werde gut weitergehen, aber nicht mehr ganz so gut. Die Koalition hat diese Aussicht zum Anlass genommen, um 2019 noch mal richtig viele neue Stellen einzurichten. Allein in den Bundesministerien werden 988,5 neue Stellen geschaffen, die sich gleichmäßig auf von der Union und von der SPD geführte Häuser verteilen. Insgesamt werden 2019 etwa 24 000 Menschen in den Berliner Bundesministerien beschäftigt sein.

Der Opposition gefällt die neue Großzügigkeit zwar nicht. Aber sie weiß zugleich, sie zum eigenen Vorteil auszulegen. Der FDP-Haushälter Otto Fricke sagt, die "Operation Abendsonne" habe begonnen. So werden gewöhnlich die letzten sechs Monate einer Regierung bezeichnet. Der Haushalt wird Ende der Woche endgültig verabschiedet.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018
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