Bundeshaushalt und InvestitionenBagger sollen rollen

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Weniger Steuereinnahmen, lahmende Konjunktur: „Wir müssen Prioritäten setzen“, sagt Lars Klingbeil am Donnerstag.
Weniger Steuereinnahmen, lahmende Konjunktur: „Wir müssen Prioritäten setzen“, sagt Lars Klingbeil am Donnerstag. (Foto: Kira Hofmann/IMAGO)

Die Steuerschätzung fällt für die Bundesregierung nicht ganz so dramatisch aus wie befürchtet. Auf Finanzminister Klingbeil kommt dennoch jede Menge Arbeit zu.

Von Bastian Brinkmann und Claus Hulverscheidt, Berlin

Ganze neun Tage ist Lars Klingbeil nun im Amt, da ist man als kultivierter Mensch geneigt, ihm noch ein wenig Eingewöhnungszeit zuzugestehen. Tatsächlich jedoch kann von einem sanften Einstieg für den neuen Finanzminister keine Rede sein. Der SPD-Politiker steht bereits in Arbeitswoche zwei mächtig unter Ergebnisdruck: Die Konjunktur lahmt, der Stellenabbau in der Wirtschaft geht weiter, und auch Mitte Mai verfügt das Land immer noch über keinen gültigen Bundeshaushalt.

In seiner ersten Regierungserklärung vor dem Bundestag versprach Klingbeil am Donnerstag dann auch, den Budgetentwurf bis Ende Juni durchs Kabinett zu bringen und rasch die gesetzlichen Voraussetzungen für die geplante, groß angelegte Investitionsoffensive zu schaffen. „Wir wollen das Land wieder auf Wachstumskurs bringen“, sagte der Vizekanzler in seinem gut zehnminütigen Vortrag, in dem er seine politischen Leitlinien und die Prioritäten für die ersten Amtsmonate umriss. Deutschland müsse in der Weltwirtschaft auch in Zukunft „ganz vorn mitspielen“.

Wie kompliziert jedoch allein die Aufstellung des Haushalts wird, zeigen die Zahlen, die der Arbeitskreis Steuerschätzung dem Minister nur wenige Stunden nach der Parlamentsrede präsentierte. Demnach steigen die Steuererlöse des Staats zwar weiter, aber weniger schnell als erwartet. Allein die Einnahmen des Bundes dürften in diesem und im nächsten Jahr um insgesamt knapp elf Milliarden Euro hinter den bisherigen Prognosen zurückbleiben. Nimmt man die Länder, Städte und Gemeinden hinzu, ergibt sich für den Planungszeitraum bis einschließlich 2029 sogar eine gesamtstaatliche Haushaltslücke von mehr als 81 Milliarden Euro.

Klingbeils Haushaltsnöte werden nicht größer – aber auch kaum kleiner

Grund für den nur schwachen Anstieg der Steuereinnahmen sind allerdings weniger die Konjunkturflaute als vielmehr die Steuererleichterungen für Bürger und Betriebe zum Ausgleich des allgemeinen Preisanstiegs, die noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossen worden waren. Sie führen jetzt zu Einnahmeausfällen, sind in der Planung des Finanzministeriums allerdings bereits berücksichtigt. Deshalb fallen sie zumindest nicht zusätzlich negativ ins Gewicht.

Die Schätzung der konjunkturbedingten Einnahmeeffekte für den Bund sieht mit plus 4,6 Milliarden Euro sogar günstiger aus als bei der letzten Prognose im Oktober. Ähnliches gilt, wenn auch in geringerem Umfang, für die kommenden Jahre. Klingbeils Haushaltsnöte werden durch die Steuerschätzung also nicht noch größer als sie angesichts des bisherigen löchrigen Entwurfs ohnehin bereits sind.

Der Minister sagte bei der Vorstellung der Steuerschätzung am Nachmittag, die Prognosen der Experten würden den Start der Regierung nicht erschweren, aber auch nicht erleichtern. Die Koalition werde trotz zusätzlicher Verschuldungsmöglichkeiten nicht umhinkommen, auch den Kernhaushalt zukunftsfest zu machen. „Wir werden nicht alles sofort angehen können, wir müssen Prioritäten setzen“, betonte Klingbeil. Jedes Kabinettsmitglied sei deshalb angehalten, im jeweils eigenen Ressort nach Einsparmöglichkeiten zu suchen.

Tatsächlich stehen im Koalitionsvertrag allerlei Wünsche von Schwarz-Rot, deren Bezahlung noch offen ist. Einer der ersten Posten dürfte beispielsweise die Mütterrente sein, die der Bund laut Vertrag per Zuschuss an die Rentenkasse finanzieren soll. Das Geld müsste, weil es keine zusätzlichen Steuereinnahmen gibt, anderswo im Haushalt gekürzt werden. Nur wo? Das wollte der Finanzminister auch auf Nachfrage nicht sagen. „Wir sind jetzt hier in vielen Gesprächen“, sagte Klingbeil lediglich. „Der Bundeshaushalt steht weiterhin unter einem hohen Konsolidierungsdruck.“

Die Koalition wird der Linken beim Thema Schuldenbremse entgegenkommen müssen

Noch sehr viel deutlicher äußerte sich der Deutsche Städtetag, der die Finanzlage der Kommunen als „alarmierend“ und „katastrophal“ bezeichnete. Die Steuerschätzung zeige, dass „Deutschland die Probleme der öffentlichen Haushalte auf absehbare Zeit nicht durch Wirtschaftswachstum lösen können“ werde. Genau darauf allerdings hofft Klingbeil: Um das Ruder herumzureißen und endlich dauerhaftes, einnahmeträchtiges Wachstum zu generieren, setzen Union und SPD vor allem auf den geplanten Sonderetat zur Sanierung der Infrastruktur. Er soll am regulären Haushalt vorbei mit Krediten in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro ausgestattet werden und Privatinvestitionen in noch deutlich größerem Umfang anstoßen.

Hinzukommen müssen nach den Worten des Finanzministers Bürokratieabbau, Steuersenkungen, bessere Abschreibungsbedingungen für Firmen, schnelleres Internet, niedrigere Energiepreise und weitere Strukturreformen. „Wir wollen, dass die Bagger rollen, wir wollen, dass die Bahn pünktlich kommt, wir wollen, dass die Faxgeräte in den Ruhestand geschickt und unnötige Formulare eingestampft werden“, so Klingbeil im Bundestag mit Blick auf die teils marode öffentliche Infrastruktur. Deutschland müsse „schneller, einfacher und gerechter“ werden. Der Vizekanzler kündigte an, bei den geplanten Investitionen Tempo zu machen. Zugleich werde sein Ministerium aber strikt kontrollieren, ob die Mittel sinnvoll eingesetzt würden.

Darüber hinaus hält der SPD-Chef eine weitere „Modernisierung“, sprich: Lockerung, der Schuldenbremse für notwendig, damit Bund, Länder und Gemeinden über den Sonderetat hinaus Investitionen tätigen können. Vorschläge dafür soll eine Expertenkommission entwickeln, die Klingbeil „in Kürze“ einsetzen will.

Um das Grundgesetz entsprechend zu ändern, braucht Schwarz-Rot allerdings nicht nur die Unterstützung der Grünen, sondern auch die der Linken. Deren Parteichefin Ines Schwerdtner sagte im Bundestag, für die Zustimmung der Linken werde die Koalition inhaltliche Zugeständnisse machen müssen. So fehle etwa Geld für den sozialen Wohnungsbau. „Wir freuen uns auf eine Einladung zur Reformkommission für die Schuldenbremse“, sagte Schwerdtner. „Ich werde mich ganz persönlich darum kümmern.“ Wie ein Antrittsgeschenk dürfte das in Klingbeils Ohren nicht geklungen haben. Eher wie eine Drohung.

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