Bundesetat 2024:Der Ampel droht die nächste Haushaltskrise

Bundesetat 2024: Für Christian Lindner könnten sich die ruhigen Ostertage als Ruhe vor dem Sturm entpuppen.

Für Christian Lindner könnten sich die ruhigen Ostertage als Ruhe vor dem Sturm entpuppen.

(Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Im Juni soll der Entwurf für den neuen Etat stehen, doch eine Einigung ist längst nicht in Sicht. Finanzminister Lindner läuft die Zeit davon - und der Kampf ums Geld dürfte wieder eskalieren.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der Begriff Osterruhe hat keinen guten Ruf, seit die große Koalition 2021 in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Corona-Nachtsitzung selbige für die ganze Republik beschlossen hat - um sie nur wenige Stunden später zerknirscht wieder kassieren zu müssen. Doch auch ohne Regierungsverordnung wird es an den nun kommenden Feiertagen im politischen Berlin eher ruhig zugehen. Für ein Regierungsmitglied allerdings dürfte es sich dabei um die Osterruhe vor dem Sturm handeln.

Auf dem Schreibtisch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nämlich liegt eine Hausaufgabe, die ihn noch mächtig beschäftigen wird: der Haushaltsstreit. Vor gut drei Wochen musste Lindner den Kabinettsbeschluss zu den Eckwerten für den Bundeshaushalt 2024 absagen - das Delta zwischen den Wünschen der Ressorts und den Möglichkeiten der Schuldenbremse war nach wie vor zu groß und der Einigungswille zu klein.

Die Zeit bis zum Beschlusstermin im Kabinett wird knapp

Um den üblichen Zeitplan einzuhalten, muss das Kabinett im Juni den Regierungsentwurf für den Haushalt beschließen. Nach Ostern aber fliegt Lindner erst mal zum Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds nach Washington, danach steht der FDP-Parteitag an. Für das zweistufige Verfahren - erst die Eckwerte, dann der Regierungsentwurf - ist die Zeit inzwischen zu knapp geworden. "Darauf werden wir dieses Jahr verzichten", sagte Lindner in der Bild am Sonntag.

Die Eckwerte gibt es seit dem Haushalt 2012, damals wurde umgestellt auf das "Top down"-Verfahren: Das Finanzministerium gibt unter Berücksichtigung der Schuldenbremse den finanziellen Rahmen vor; innerhalb der vereinbarten Eckwerte stellen die Ressorts dann ihre Etats selbständig auf. Vor dieser Umstellung lief es andersherum: Die Ressorts meldeten ihre Wünsche an, dann wurde über diese Etatpläne verhandelt. Allerdings kam dabei regelmäßig heraus, dass mehr Schulden gemacht werden mussten als geplant. Der Vorteil des Eckwerteverfahrens für den Finanzminister: Er hat früh im Verfahren die Gewissheit, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Der Vorteil für die Fachminister: Sie haben innerhalb der Eckwerte mehr Freiheit bei der Aufstellung ihrer Einzelpläne.

Lindner will nun aus Zeitgründen im Prinzip auf das alte Verfahren umschwenken. "Wir müssen gemeinsam grundlegend den Haushalt beleuchten", sagte er. "Jede wesentliche einzelne Ausgabe sollten wir in ihrer Höhe und ihrer Begründung gemeinsam beraten." Wenn nun die Ressorts ihre Etats zunächst freihändig aufstellen, ohne Eckwerte, werden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den schuldenbremsenkonformen Finanzrahmen sprengen. Die Verhandlungen darf man sich deshalb ziemlich kleinteilig vorstellen. Letztlich muss quasi jeder Posten durchgegangen werden, nach dem Motto: Dieses Förderprogramm X, warum genau muss das um 30 Prozent angehoben werden? Ohne Eckpunkte zu verhandeln, werde "die Dinge komplizierter machen", sagte Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, der SZ.

Von alleine werden sich die Haushaltslöcher nicht schließen

Die Steuerschätzung im Mai könnte noch etwas Bewegung in die verfahrene Situation bringen, denn die Steuerschätzer werden dem Bund vermutlich ein paar zusätzliche Milliarden in Aussicht stellen. Gleichzeitig werden es alle Beteiligten dann aber auch noch mal schwarz auf weiß haben, dass mehr als diese Zusatzmilliarden eben auch nicht drin sind. Denn dass die Steuerschätzung so phänomenal ausfällt, dass sich alle Haushaltslöcher von alleine schließen, hält man im Finanzministerium für ausgeschlossen.

Aus Sicht des Hauses von Minister Lindner geht es bei der diesjährigen Haushaltsaufstellung ohnehin nicht um die Verteilung von Restmitteln. Sondern um Konsolidierung. Zuletzt betrug die zu schließende Haushaltslücke dem Vernehmen nach 16 bis 18 Milliarden Euro - ohne die Zusatzwünsche der Ministerien, die sich zwischenzeitlich auf sagenhafte 70 Milliarden Euro summiert hatten. Immerhin: Etwas Erleichterung brachte zuletzt die Entscheidung des Koalitionsausschusses, dass ein Teil des zusätzlichen Finanzbedarfs der Deutschen Bahn über die geplante Erhöhung der LKW-Maut gestemmt werden soll.

"Wenn's nötig ist, hilft auch der Kanzler dabei."

Unter Druck sieht man im Finanzministerium derweil eher die Einzelressorts. Die Haltung ist: Der Finanzminister braucht keinen Haushalt. Das allerdings unterschlägt erstens, dass natürlich auch der Finanzminister Geld braucht, zum Beispiel für den Zoll. Und zweitens wäre es für Lindner natürlich eine schwere politische Niederlage, keinen Haushalt hinzubekommen.

Wenn man mit Haushaltsexperten spricht, wird deutlich, dass zumindest in der Theorie auch andere Varianten für die nun anstehende Haushaltsaufstellung gäbe. So könnte Lindner den Regierungsentwurf im Prinzip auch einfach eigenhändig erstellen. In seiner Haushaltsabteilung existieren sogenannte Spiegelressorts für die Fachministerien. Dort sind die Referenten ohnehin im ständigen Austausch mit ihren Pendants in den anderen Häusern und kennen deren Etatplanungen. Der Finanzminister könnte darauf zurückgreifen und gleichzeitig die notwendigen Einsparungen in seinen Entwurf einarbeiten. Ein solcher Stunt allerdings dürfte spätestens am Kabinettstisch scheitern.

Ebenfalls denkbar wäre es, dass der Minister von den Ressorts verlangt, bei der Aufstellung ihrer Etats von ihm festgelegte Eckwerte einzuhalten. Weichen sie davon ab, könnte er sie zu gesetzlichen Maßnahmen auffordern, um die Einhaltung doch noch sicherzustellen. Für so etwas aber bräuchte Lindner sehr viel Rückendeckung aus dem Kanzleramt.

Hinauslaufen dürfte es deshalb eher auf ein anderes Modell: auf Gespräche im kleinen Kreis zwischen Kanzler, Finanzminister und den Ressortchefs, die mit ihren Forderungen besonders weit über den Möglichkeiten liegen. Gefragt nach der Rolle des Kanzlers im Haushaltsstreit, sagte Regierungssprecher Hebestreit am Freitag immerhin schon mal: "Wenn's nötig ist, hilft auch der Kanzler dabei, dass etwas Gutes herauskommt." Und Lindner selbst sagte am Wochenende auf die Frage, ob er den Kanzler an seiner Seite habe: "Ja."

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