Bundeshaushalt:Falsch gerechnet

Olaf Scholz erweist sich als passabler Verwalter der schwarzen Null. Doch angesichts des drohenden Abschwungs ist das zu wenig. Die Regierung müsste großzügig in Bildung und Infrastruktur investieren.

Von Cerstin Gammelin

Mit dem dritten Bundeshaushalt, den Olaf Scholz jetzt durch das Kabinett gebracht hat, beweist der Bundesfinanzminister, dass er passabel verwalten kann. Mehr allerdings nicht. Der Sozialdemokrat arbeitet die Vorgaben des Koalitionsvertrages pflichtschuldig ab; er liefert die schwarze Null, finanziert vereinbarte Projekte und verzichtet auf Dinge, die den Koalitionspartner provozieren könnten; die bedingungslose Grundrente zum Beispiel plant er nicht ein. Insgesamt ist Scholz' Bundeshaushalt für 2020 so rückwärtsgewandt, als gäbe es kein Morgen.

Nun mag so mancher denken, dass es für die Sozialdemokratie tatsächlich keine Zukunft gibt, für die Bundesrepublik gilt das aber sicher nicht. Scholz macht einen großen Fehler: Er klammert aus, dass die Haushaltsplanung in turbulenten Zeiten stattfindet, in denen starres Abarbeiten nicht mehr genügt. Der Brexit steht bevor, Trump droht über den Atlantik. Die Wirtschaftsweisen haben die Wachstumszahlen nach unten korrigiert. Aufgabe des Finanzministers ist es also, Vorsorge zu treffen. Doch genau das tut Scholz nicht.

Er lässt keine neue Idee erkennen, wie er gegen den Abschwung vorgehen will. Es fehlt ihm an Mut, überfällige Maßnahmen anzugehen, die Deutschland als Standort attraktiver machen. Warum etwa kein deutsches Silicon Valley in Dresden schaffen? Scholz müsste die Bundesregierung dazu bringen, großzügig zu investieren in Infrastruktur, Bildung, und Innovationen. Er müsste sie antreiben, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es vorangehen kann.

Aber was macht Scholz? Er kürzt bei der Bildung. Er friert das Geld für Investitionen über die Jahre ein. Schlimmer noch: Er rechnet sogar damit, dass ein Teil der Mittel nicht abgerufen wird. Denn die schwarze Null basiert auch auf der Annahmen, dass jedes Jahr 3,7 Milliarden Euro nicht ausgegeben werden.

Es fehlt an Planern und Projektleitern? Dann muss Scholz sie europaweit rekurtieren

Es ist alarmierend, wie bequem es sich die große Koalition eingerichtet hat. Trotz jahrelanger Überschüsse wird im Land des Exportweltmeisters ein Großflughafen lieber als dauerhafte Ruine finanziert als beherzt fertiggestellt. Es wird hingenommen, dass das Renovieren von Bibliotheken oder der Bau von Bahnhöfen ewig dauert. Man hat sich daran gewöhnt, dass manches Projekt nie vollendet wird.

Scholz versteckt sich hinter dem Argument, es fehle nicht am Geld, sondern an Planern und Projektleitern. Das stimmt zwar faktisch. Aber wer, wenn nicht der Bundesfinanzminister, hat es in der Hand, genau dieses Problem zu beheben? Er kann veranlassen, Bauvorhaben offen auszuschreiben, Planer europaweit zu rekrutieren. Scholz kann dafür sorgen, dass Dienstleistungen eingekauft werden, indem er den deutschen Markt europäischen Anbietern öffnet. So, wie es die EU-Kommission seit Jahren fordert. So, wie es Deutschland beim Export von deutschen Gütern von der ganzen Welt verlangt.

Ein Bundesfinanzminister, der sein Amt nutzen will, um politisch zu gestalten, darf sich nicht nur darum kümmern, dass Steuergeld auf beschlossene Vorhaben verteilt wird - das kann auch ein Beamter. Er muss vielmehr dafür sorgen, dass wichtige Projekte zügig umgesetzt werden können, und zwar unter Nutzung aller Ressourcen, die der europäische Binnenmarkt bietet. Es ist grotesk, dass die Bundesregierung die schwarze Null so vor sich herträgt, dass sie den Blick auf die realen Herausforderungen verstellt.

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