Bundeshaushalt:Am Abzug

Nach heftiger Vorab-Kritik verkündet Finanzminister Olaf Scholz seine Eckdaten für die Bundesfinanzen der kommenden Jahre. Er kalkuliert ein, dass nicht der volle Haushalt abgerufen wird.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundesfinanzminister Olaf Scholz SPD aufgenommen nach einer Bundespressekonferenz mit dem Thema H

Unter Beobachtung und unter Beschuss: Olaf Scholz am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz.

(Foto: Thomas Trutschel/imago)

In alten Western kommt es vor, dass Kontrahenten vor dem Kampf ihre Waffen präsentieren. An solche Szenen, in denen der Colt gefährlich am Zeigefinger rotiert, während die Gegner die Schusslinie fixieren, erinnert in Berlin gerade der Streit um den Bundeshaushalt. Noch bevor Olaf Scholz seine Eckwerte für den Bundeshaushalt 2020 und die Finanzpläne bis 2023 vorstellen konnte, hatten ihm einige Widersacher schon ihre Feuerkraft bewiesen. Klimaschutz, Banken, Kohleausstieg, Grundrente, Flüchtlingskosten, Entwicklungshilfe, Rüstung - aus vielen Richtungen ballerte Kritik auf den Bundesfinanzminister ein. Scholz nutzte das, um am Mittwoch besonders gut gerüstet vor die Bundespressekonferenz zu treten.

Zukunft, Innovation, Digitalisierung, sozialer Zusammenhalt und innere Sicherheit: Scholz verschießt seine Botschaften gleich zu Anfang und wie Pfeile. "Die Bundesregierung plant Rekordinvestitionen, die größte Steuersenkung seit mehr als zehn Jahren sowie umfangreiche Schritte für den sozialen Zusammenhalt", trägt der Bundesfinanzminister vor. Fast 25 Milliarden Euro finanzielle Entlastungen für die Bürger, Baukindergeld, sozialer Wohnungsbau, mehr Bildung. Der wirtschaftliche Erfolg werde so bei allen ankommen im Land. Man schaffe die Grundlagen für den Wohlstand von morgen. Es klingt wie Sozialdemokratie pur.

Noch vor einem knappen Jahr wurde die erste Haushaltsplanung von Scholz in der Öffentlichkeit regelrecht zerfetzt - weil darin trotz des Versprechens im Koalitionsvertrag, vor allem zu investieren, die dafür bereit gestellten Gelder rückläufig waren. Das soll Scholz nicht noch mal passieren. Diesmal überlässt er nichts dem Zufall.

Die Grundrente fehlt im Haushaltsplan. Scholz will sie in Kürze durchrechnen

Beispiel Investitionen: Sie sollen bis 2020 von derzeit geplanten 38,9 Milliarden Euro auf 39,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr ansteigen. Danach bleibt die Summe bis 2023 konstant, was allerdings bedeutet, dass gemessen am steigenden Bruttosozialprodukt weniger Geld in Straßen, Brücken, Schulen, Netze und Digitales fließen wird. Scholz beteuert, er werde sich bemühen, die rechtlichen Bedingungen so zu verbessern, dass das Geld auch verplant und verbaut werden kann, etwa in der neuen Autobahngesellschaft. Bisher ist es so, dass jedes Jahr einige Milliarden Euro übrig bleiben, weil es keine Planer gibt, keine Projektingenieure, keine Handwerker. Oder weil die Vorschriften zu kompliziert sind.

Interessant ist, dass Scholz' Haushaltsplaner künftig von Anfang an damit kalkulieren, dass in jedem Jahr ein Prozent des gesamten Bundeshaushaltes, also rund 3,7 Milliarden Euro, nicht abgerufen werden wird. Zwar versichert Scholz, dieser Betrag liege deutlich unter den Erfahrungswerten. Man kann das aber so lesen, als werde die Schwarze Null im Bundeshaushalt nur dadurch erreicht, dass man einplant, dass nicht alles Geld abfließt.

Beispiel Klima: Wann hat man Olaf Scholz schon länger als fünf Minuten über Klimaschutz und den Ausstieg aus der Kohle reden hören? Ist nicht erinnerlich. Am Mittwoch jedenfalls ließ der Vizekanzler der einstigen Kohle-Partei kein Argument aus, um zu erklären, wie klimafreundlich sein Haushalt ausgerichtet sei. Das Klima zu schützen sei prioritäre Aufgabe; der Ausstieg aus der Kohle ziehe vielfältige Investitionen nach sich.

Wie zu erwarten, muss Scholz erklären, wie er es mit der Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank hält. Kann er ausschließen, dass er dafür auch in den Bundeshaushalt greifen muss? "Ich habe keine Pläne für irgendwelche Finanzaufwendungen aus dem Haushalt", wehrt Scholz ab. Richtig sei allerdings, dass er finde, "dass wir eine starke Finanzindustrie brauchen". Plant er, den Staatsanteil an der Commerzbank zu verkaufen, wenn diese mit der Deutschen Bank fusioniert? "Ich habe keine Bankenpläne, deshalb kann ich keine bekannt geben", windet er sich. Überzeugend ist die Abwehr nicht.

Und was war noch? Die Grundrente. Sie ist nicht im Finanzplan enthalten, aber auch nicht vergessen. Scholz will vor dem Sommer mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Finanzkonzept für die von der SPD geplante Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung vorstellen. Schon im Mai soll es einen Gesetzentwurf geben. Heil zufolge soll die Rente jährlich einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag kosten.

Scholz plant für 2020 Ausgaben von 362,6 Milliarden Euro. Das sind 1,7 Prozent mehr als 2019. Der größte Teil davon fließt für Rentenzuschüsse oder soziale Leistungen ins Arbeitsministerium. Die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik dürfte nach Schätzungen des Finanzministeriums jetzt schon unter 60 Prozent des Bruttosozialprodukts gesunken sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: