Bundesregierung:Ampel schafft keine rasche Haushaltslösung

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Anders als von der Kanzlerpartei SPD gewünscht wird sich das Bundeskabinett am Mittwoch wohl noch nicht mit dem Haushalt 2024 befassen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Anders als von der SPD verlangt, hat sich das Kabinett am Mittwoch nicht mit dem Budget für 2024 befasst. Damit zeichnet sich ab, dass das neue Jahr mit einer vorläufigen Haushaltsführung beginnt.

Von Georg Ismar, Paul-Anton Krüger und Nicolas Richter, Berlin

Bei der Lösung der Haushaltskrise deutet sich ein harter Sparkurs an. Anders als von der SPD gewünscht, hat sich das Bundeskabinett an diesem Mittwoch wegen der schwierigen Verhandlungen noch nicht mit dem Bundeshaushalt für das kommende Jahr befasst. Seit Tagen beraten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über Lösungen, sie durchforsten den Haushalt nach Streichposten in Milliardenhöhe. Die FDP stemmt sich bisher gegen ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse, was den Einspardruck erhöht.

Mit der Nicht-Befassung des Kabinetts an diesem Mittwoch zum Haushalt 2024 zeichnet sich ab, dass das Haushaltsgesetz nicht mehr in diesem Jahr das volle parlamentarische Verfahren durchlaufen kann. Denkbar sei ein Kabinettsbeschluss und zumindest die Befassung des Haushaltsausschusses noch in diesem Jahr, hieß es, also eine politische Einigung. Das kommende Jahr müsste dann aber mit einer vorläufigen Haushaltsführung unter Aufsicht von Bundesfinanzminister Lindner beginnen. Jede Ausgabe, die nicht aus rechtlichen, vertraglichen oder anderen Gründen unabweisbar ist, müssten sich seine Kabinettskollegen dann von ihm genehmigen lassen. Das Verfahren ist zwar nach Bundestagswahlen üblich, aber es ist ungewöhnlich, dass eine amtierende Bundesregierung in eine solche Situation hineinrutscht.

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Im Haushalt klaffen riesige Lücken

Die SPD-Spitze hatte daher die Erwartung geäußert, dass sich die Koalition bis Mitte dieser Woche auf die Eckpunkte des neuen Haushalts 2024 einigen würde, nachdem das Bundesverfassungsgericht Mitte November den Nachtragshaushalt 2021 der Bundesregierung beanstandet hatte. Dieses Urteil aus Karlsruhe wirkt sich auch auf den Bundeshaushalt für 2023 und 2024 aus. Es hatte die Umschichtung von 60 Milliarden Euro an nicht genutzten Corona-Kreditermächtigungen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für verfassungswidrig erklärt.

Aus dem Fonds sollten alleine 2024 Projekte zum Umbau von Wirtschaft und Industrie in Richtung Klimaneutralität im Volumen von fast 60 Milliarden Euro finanziert und zugleich die Schuldengrenze im Kernhaushalt eingehalten werden. Nun aber klaffen dort riesige Lücken, allein für 2024 hatte Lindner den Einsparbedarf auf 17 Milliarden Euro beziffert. Große Projekte aus dem KTF stehen nun komplett auf der Kippe, geplant waren etwa die Unterstützung von Unternehmen bei der Umstellung auf Wasserstoff und der Transformation von Stahl- und Chemiewerken; ebenso gefördert werden sollte die Ansiedlung von Chip-Fabriken in Ostdeutschland.

Sozialdemokraten und Grüne haben auch wegen dieser Investitions-Unsicherheiten darauf gedrungen, das überarbeitete Budget für 2024 noch bis Jahresende durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Ein Argument dafür lautete, die Deutschen sollten nicht mit einem Gefühl der Verunsicherung in die Weihnachtsferien gehen, zudem bräuchten Unternehmen Klarheit über den noch vorhandenen Förder- und Investitionsrahmen. Die FDP plädierte dagegen für Gründlichkeit, um diesmal einen gerichtsfesten Haushalt vorzulegen. Auch aus den Reihen der Grünen heißt es nun, nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zu den Beratungsfristen zum Heizungsgesetz im Sommer dürfe man sich nicht angreifbar machen - für ein solches Verfahren genügt bereits die Klage eines einzelnen Abgeordneten.

Die Sorge über größere Streichungen im Transformationsbereich wächst. "Wir erwarten jetzt vom Bund vor allem im Hinblick auf die Wasserstoffprojekte schnelle Finanzierungszusagen", sagte etwa der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) der Süddeutschen Zeitung. "Insgesamt dürfte sich das Investitionsvolumen auf etwa zehn Milliarden Euro belaufen."

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Scholz bekommt Druck aus der eigenen Partei

Um hier mehr Spielraum für Zukunftsinvestitionen zu haben, hatte die SPD vorgeschlagen, eine Art eingeschränkte Notlage zu erklären, um so die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Sie sollte sich nur auf den Ukraine-Krieg und seine Folgewirkungen, also militärische Unterstützung, sowie die Kosten für Geflüchtete, humanitäre Hilfe oder den Wiederaufbau des Landes beziehen. Es gehe um Kosten von geschätzten 20 bis 30 Milliarden Euro, die so über Extrakredite finanziert werden könnten, hieß es bei SPD-Finanzexperten. Allerdings wäre das Ergebnis das gleiche wie beim Erklären einer allgemeinen Notlage: Die Schuldenbremse wäre ausgesetzt. Entsprechend stellten Koalitionspolitiker aus den anderen Fraktionen infrage, ob ein solches Modell tragfähig und gerichtsfest ist. Die FDP will eigentlich nicht erneut die Schuldenbremse aussetzen, lehnt zugleich auch Steuererhöhungen strikt ab.

Zusätzlichen Druck erzeugt der SPD-Bundesparteitag, der am Freitag in Berlin beginnt und bis Sonntag dauert. Samstagmorgen steht eine Grundsatzrede von Kanzler Scholz an, der vor gut einer Woche in seiner Regierungserklärung den Bürgern versprochen hatte, das Karlsruher Urteil werde sich in ihrem Alltag nicht bemerkbar machen - ob dies so sein wird, wird sich erst mit dem finalen Sparkatalog ablesen lassen. Es werden ohne Einigung der Koalitionsspitzen bis dahin Anträge befürchtet, die den Spielraum von Kanzler Scholz weiter einengen könnten - strikt lehnt die Partei Kürzungen im Sozialbereich ab, so soll auch das Bürgergeld wie geplant um zwölf Prozent ab Januar steigen. Teile der Jusos wollen die Schuldenbremse komplett aus dem Grundgesetz streichen.

Vergangene Woche war Kanzler Scholz beim Seeheimer Kreis zu Gast, der konservativen Strömung in der SPD-Bundestagsfraktion. Dort ging es auch um die alternative Idee eines Sondervermögens Transformation und Klimaschutz, das wie das Sondervermögen Bundeswehr im Grundgesetz verankert werden könnte. Es hätte den Vorteil, dass gerade Unternehmen langfristige Investitionssicherheit über Jahre bekämen; aber dazu braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und damit die Hilfe der Union.

In der Union schließt man das nicht kategorisch aus, verlangt aber, alle Projekte darin müssten genau definiert werden, um auszuschließen, dass das Geld anderweitig genutzt wird, etwa um Ausgaben aus dem Kernhaushalt zu finanzieren, wie es die Koalition beim Sondervermögen für die Bundeswehr gemacht hat.

Da solche Verhandlungen aber Zeit brauchen, wäre das erst etwas für das kommende Jahr, keine kurzfristige Lösung. Dasselbe gilt für Überlegungen bei SPD und Grünen, die Schuldenbremse so zu reformieren, dass für mehr Investitionen künftig mehr Schulden als die bisher erlaubten 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gemacht werden dürfen.

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