Bundesgerichtshof:Neuer Prozess gegen "Scharia-Polizisten"

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Kostümiert mit Warnwesten waren elf junge Männer durch Wuppertal gezogen, um Muslime vor Alkohol und Drogen zu warnen. Das Landgericht hatte sie freigesprochen. Der BGH hat dieses Urteil nun gekippt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wenn selbst ernannte "Scharia-Polizisten" in Uniform junge Muslime einschüchtern und ihnen ein islamistisches Koranverständnis aufnötigen wollen, dann ist das grundsätzlich strafbar. Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der über einen Vorfall vom September 2014 zu entscheiden hatte. Damals zogen elf junge Männer unter Führung des bekannten Salafisten Sven Lau durch Wuppertal - kostümiert mit orangefarbenen Warnwesten, die auf der Rückseite den Aufdruck "Shariah Police" trugen. Nach eigenem Bekunden wollten sie junge Muslime vor den Gefahren von Alkohol, Drogen, Glücksspiel sowie vor Bordellbesuchen warnen und stattdessen zum Moscheebesuch anhalten. Ihr Umzug erregte zunächst wenig Aufsehen. Passanten hielten das für einen Junggesellenabschied, und die Polizei ließ die Truppe nach Rücksprache mit dem Staatsschutz weiterziehen. Erst ein Youtube-Video löste Empörung aus und brachte den Teilnehmern der Gruppe Anklagen wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot ein. Das Landgericht Wuppertal sprach sie frei. Diesen Freispruch hob der BGH nun auf und ordnete ein neues Verfahren an. Sven Laus Fall war frühzeitig abgetrennt worden, er wurde inzwischen als Terrorhelfer zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.

Maßgeblich ist nach den Worten des BGH-Senatsvorsitzenden Jörg-Peter Becker nicht allein das Tragen einer Uniform, sondern die Frage, ob andere mit einem solchen Auftritt in aggressiv-militanter Weise eingeschüchtert werden können. Dabei komme es nicht etwa auf die Sichtweise normaler Passanten an. Sondern darauf, wie die Aktion auf ihre Zielgruppe wirke - in diesem Fall auf junge Muslime. Das Landgericht Wuppertal muss nun also prüfen, welchen Eindruck die Männer in ihren "Shariah Police"-Westen zum Beispiel auf junge Migranten gemacht haben - etwa auf Flüchtlinge aus Ländern, in denen man tatsächlich mit einer Religionspolizei konfrontiert werden kann. Damit liegt es sehr viel näher, dass solche Scharia-Polizisten strafrechtlich belangt werden können. Das Landgericht dagegen hatte der Aktion eine gewisse Harmlosigkeit attestiert, weil Passanten an dem orangefarbenen Dutzend nichts Militantes zu erkennen vermochten. Aus Sicht des BGH ist das aber der juristisch falsche Ansatzpunkt. Die Justiz wird Scharia-Polizisten damit künftig aufmerksamer ins Visier nehmen müssen.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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