Bundesarbeitsgericht:Mehr als genug

An diesem Mittwoch wird vor dem Bundesarbeitsgericht ein kurioser Abfindungsstreit verhandelt. Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender ist der Ansicht, bei seinem Aufhebungsvertrag zu gut weggekommen zu sein - weshalb der Vertrag nichtig sei.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Normalerweise ziehen Arbeitnehmer vor ein Arbeitsgericht, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen von ihrem Arbeitgeber. An diesem Mittwoch allerdings wird vor dem Bundesarbeitsgericht ein gänzlich anders gelagerter Fall verhandelt, den auch der Sprecher des Gerichts "ungewöhnlich" nennt. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende eines saarländischen Unternehmens nämlich ist der Ansicht, bei seinem Aufhebungsvertrag zu gut weggekommen zu sein - weshalb ebendieser nichtig sei und er seinen alten Arbeitsplatz zurückbekommen müsse.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist, dass dem heute 55 Jahre alten Kläger 2012 Stalking und sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin vorgeworfen wurde. Unter anderem ging es um zahlreiche Kurznachrichten, die der Betriebsratschef an die Frau verschickt haben soll. Er wurde daraufhin von seiner Firma freigestellt, durfte das Betriebsgelände nicht mehr betreten und unterzeichnete im Sommer 2013 schließlich einen Aufhebungsvertrag. Vereinbart wurden eine Abfindung in Höhe von netto 120 000 Euro und eine Freistellung bis Ende 2015 - bei fortlaufender Gehaltszahlung von mehr als 4900 Euro brutto im Monat. Im kleinen Saarland, sagt sein Anwalt Martin Abegg, sei der Druck auf seinen Mandanten damals sehr groß gewesen. "Er wollte raus aus der Öffentlichkeit", deshalb habe er dem Aufhebungsvertrag zugestimmt. Nachdem das Strafverfahren gegen ihn aber eingestellt worden war, bereute der Mann den Schritt offenbar - und wollte seinen Arbeitsplatz zurück. Am 21. Juli 2014 ging die Klageschrift beim zuständigen Arbeitsgericht ein.

Die Argumentation des Klägers, der 1983 in dem mittelständischen Betrieb angefangen hatte, verläuft grob gesagt so: Nur weil er Betriebsratsvorsitzender war, habe er derart großzügige Rahmenbedingungen für seinen Abgang verhandeln können - eine solche Bevorzugung von Betriebsräten aber sei laut Betriebsverfassungsgesetz verboten, der Aufhebungsvertrag mithin nichtig und er immer noch Arbeitnehmer der betreffenden Firma.

Die vorangegangenen Instanzen allerdings mochten dieser Argumentation nicht folgen; sowohl das Arbeitsgericht wie auch das saarländische Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht allerdings wurde zugelassen. Der Anwalt des Klägers gibt unumwunden zu, dass sie sich "auf sehr dünnem Eis" bewegten mit ihrer Rechtsauffassung. Nun aber könne durch das Bundesarbeitsgericht final geklärt werden, ob Betriebsräte bei einem individuell ausgehandelten Vertrag bessergestellt werden dürfen als andere Beschäftigte ohne diese Funktion und den besonderen Kündigungsschutz, der mit einem Betriebsratsamt einhergeht. "Die eigentliche Frage ist", sagt Abegg: "Darf ein Betriebsrat mehr Abfindung erhalten als ein Arbeitnehmer?"

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