Anschlag am Frankfurter Flughafen:Ein unbekannter Einzeltäter

Die Bundesanwaltschaft bestätigt: Arid U. hat seine Tat alleine geplant und war den Behörden unbekannt. Er putschte sich offenbar mit Internet-Propaganda auf - und erschoss zwei US-Soldaten aus nächster Nähe mit Kopfschüssen.

Der Attentäter vom Frankfurter Flughafen hat seine Bluttat alleine geplant. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er einer terroristischen Vereinigung angehöre, sagte der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum am Freitag bei einer Pressekonferenz in Karlsruhe. Allerdings sei der 21 Jahre alte Arid U. von islamistischen Strömungen beeinflusst worden und habe entsprechende Internetseiten besucht.

Nach Blutbad am Frankfurter Flughafen

Nach dem Blutbad am Frankfurter Flughafen: Zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten patroullieren im Terminal 2.

(Foto: dpa)

Motiv für die Tat war nach den bisherigen Ermittlungen der US-Einsatz in Afghanistan. Der mutmaßliche Täter habe "Vergeltung" dafür üben wollen, sagte Griesbaum. Der endgültige Auslöser der Tat soll nach Aussagen von Arid U. ein Internetvideo gewesen, das er einen Tag vor der Tat gesehen habe. Darin hätten angeblich US-Soldaten ein muslimisches Haus geplündert und die Tochter vergewaltigt. Zudem habe er angegeben, am Flughafen Gespräche von US-Soldaten gehört zu haben, in denen diese sich mit "bevorstehenden Bluttaten gebrüstet" hätten.

Die Tat zeige die Gefährlichkeit des virtuellen Dschihad im Internet, der Einzelttäter zu motivieren vermöge, sagte Griesbaum. "Internet-Propaganda ist noch klarer zu bekämpfen", führte er aus. Eine Gesetzesänderung forderte er aber nicht.

Gegen solche Taten von Einzelnen gebe es kein wirksames Instrumentarium, sagte Griebaum: "Klassische Verdachtsindikatoren greifen hier nicht." Die Sicherheitslage in Deutschland sei insgesamt unverändert. "Positiv ist: Es gibt keine Gefahr eines handlungsfähigen Terrorismus auf deutschem Boden", resümierte der Bundesanwalt.

Der Verdächtige hat laut Griesbaum die Tat in einer ersten Vernehmung in Frankfurt eingeräumt, schwieg danach aber vor dem Untersuchungsrichter. Die Aussagen müssten nun weiter ausgewertet werden. Es sei daher verfrüht, "von einem voll umfänglichen Geständnis zu sprechen", sagte der Bundesanwalt. Wann sich Arid U. radikalisiert habe, bleibt also weiter fraglich; ob er den Bus mit amerikanischen Soldaten spontan als Anschlagsziel ausgesucht hat, ebenfalls.

Der Täter hatte am Mittwoch in einem Bus des US-Militärs zwei Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt. Am Donnerstagabend war Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Der Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord in zwei Fällen, versuchten Mord in drei Fällen und schwere Körperverletzung in drei Fällen vor

Verklemmte Hülse verhindert Schlimmeres

Der Bundesanwalt gab weitere Details zum Tatablauf bekannt. Demnach trug der Täter eine Pistole der Marke FN Browning mit 9-mm-Kaliber bei sich, Magazin und Waffe waren mit 14 Patronen gefüllt. Darüber hinaus hatte Arid U. zwei Messer bei sich. Die Gewalttat hätte offenbar noch schlimmer ausfallen können: Nach der Überwältigung des Täters befanden sich noch sechs Patronen im Pistolenlauf.

"Die Soldaten waren sich keiner Gefahr bewusst", sagte Griesbaum. Arid U. hatte einen Militärangehörigen auf eine Zigarette angesprochen und sich von ihm bestätigen lassen, dass im Bus US-Soldaten saßen. Als der 25-jährige Soldat sich dann Richtung Bus bewegte, schoss Arid U. ihm von hinten in den Kopf.

Im Bus habe er laut "Allahu akhbar" gerufen, die übliche arabische Formulierung für "Gott ist groß", die von vielen islamistischen Gewalttätern auch als Schlachtruf benutzt wird. Dann schoss er auf den Kopf eines 21-Jährigen im Fahrersitz - das zweite Todesopfer. Zwei weitere Soldaten, 21 und 25 Jahre alt, wurden durch Schüsse schwer verletzt.

Bei seinem fünften Opfer versagte die Pistole: Der Täter zielte auf den Kopf eines 22-Jährigen, drückte zweimal ab, doch eine Hülse hatte sich im Auswurf verklemmt: Die Schüsse lösten sich nicht. Arid U. flüchtete, der 22-jährige Soldat verfolgte ihn und überwältigte ihn gemeinsam mit Polizisten.

Über weitere Details soll Arid U., der ein Gymnasium besucht, aber das Abitur nicht geschafft hatte, nun weiter befragt werden. Zum Gesundheitszustand der schwerverletzten Soldaten wollten die Ermittler bei der Pressekonferenz keine Angaben machen.

Für eine veränderte Gefahrenlage nach dem Attentat sieht die Politik insgesamt keine Anzeichen: Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hat nach dem Anschlag vor Alarmismus gewarnt. "Trotz der dramatischen Ereignisse von Frankfurt sehe ich derzeit keine Notwendigkeit, eine neue Terrorwarnung wie im vergangenen November auszusprechen", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Auch der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte am Donnerstag erklärt, es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland verschärft werden müssten.

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