Bundesamt für Verfassungsschutz:Mit dem Linken sehen sie besser

Innenminister Friedrich verteidigt die Beobachtung von Linken-Politikern durch den Verfassungsschutz, schließlich werde ja auch die NPD überwacht. Kritiker sehen sich in ihrem Urteil bestätigt: Der Verfassungsschutz schaut links genauer hin als rechts. Tatsächlich hat der Geheimdienst auch schon spätere Bundespräsidenten überwacht.

Lilith Volkert

"Manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern", schrieb einst der Dichter Ernst Jandl. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz kann man rechts und links ganz gut auseinanderhalten, tut sich aber schwer damit, an beide das gleiche Maß anzulegen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), dem der Verfassungsschutz untersteht, hat die Beobachtung von Abgeordneten der Linken durch den Nachrichtendienst verteidigt - und dabei Parallelen zwischen der Linkspartei und der rechtsextremen NPD gezogen.

Wenn die Beobachtung auch von Mitgliedern der Fraktionsspitze nicht mehr akzeptiert würde, dann dürften auch Parlamentarier der NPD nicht mehr beobachtet werden, sagte der Minister. "Sie müssen bedenken, wir haben auch Spitzenfunktionäre der NPD in den Parlamenten. Wenn man die allgemeine Forderung aufstellt, es darf der Verfassungsschutz überhaupt nicht mehr beobachten, was die Abgeordneten machen, (...) dann müsste ich ja sofort auch die Beobachtung dieser NPD-Spitzenfunktionäre einstellen und das kann ja nicht sein", sagte Friedrich im ZDF-Morgenmagazin.

Es gebe erhebliche Hinweise, dass die Linke verfassungsfeindliche Tendenzen habe, fügt er hinzu - und bestätigte damit einmal mehr jene Kritiker, die dem Verfassungsschutz vorwerfen, links genauer hinzuschauen als rechts. Tatsächlich ist Friedrichs Vergleich ähnlich wie manch andere Einschätzung nicht ganz verhältnismäßig: Während die NPD der demokratischen Grundordnung feindlich gegenübersteht, lässt sich das über Kapitalismuskritiker der Linken nicht sagen - und der Kapitalismus ist nicht im Grundgesetz festgeschrieben.

Diese Vorliebe für die penible Observierung vermeintlich Linksextremer erklärt sich aus der Geschichte des Verfassungsschutz: Der Inlandsnachrichtendienst wurde 1950 gegründet, als die größte Gefahr für die BRD von kommunistischen Staaten ausging. In seinen Reihen befanden sich ehemalige Mitglieder von SS und Gestapo - wie viele, wird gerade erforscht. Auf der Überwachungsliste standen jedenfalls viele Demokraten, die sich kritisch über die Regierung äußerten. Die Pazifistin Klara Marie Faßbinder etwa, die sich gegen die Aufrüstung unter Konrad Adenauer einsetzte. Sie wurde nicht nur observiert, sondern wegen angeblicher prokommunistischer Äußerungen 1953 von ihrem Amt als Geschichtsprofessorin suspendiert.

In den sechziger Jahren bespitzelte der Verfassungsschutz auch einen Anwalt aus Essen, der KPD-Mitglieder verteidigte, die nach dem Verbot ihrer Partei in Haft gekommen waren. Gustav Heinemann hieß der Mann, 1969 wurde er deutscher Bundespräsident. Heinemanns Kollege Diether Posser, der später Justizminister in Nordrhein-Westfalen wurde, stand ebenfalls auf der Liste der potentiellen Landesfeinde. Anfang der achtziger Jahre beobachtete der Verfassungsschutz die gerade gegründete Partei Die Grünen. Besonders verdächtig erschien ihm der frühere RAF-Verteidiger Otto Schily - der später zur SPD wechselte und Innenminister einer rot-grünen Bundesregierung wurde.

2008 hat der Verfassungsschutz übrigens die Überwachung des Rechtsanwalts Rolf Gössner eingestellt - nach 38 Jahren. Der Bremer hatte den Inlandsgeheimdienst verklagt und nach einem dreieinhalbjährigen Prozess recht bekommen. Warum genau er den Verfassungsschützern verdächtig war, konnten sie ihm nicht sagen. Gössner vermutet, ihm wurde eine "Kontaktschuld" zur Last gelegt - und keine eigenen verfassungsfeindlichen Bestrebungen.

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