Süddeutsche Zeitung

Bundesamt für Migration:Zahl der Asylanträge steigt

  • Die Zahl der neu gestellten Asylanträge in Deutschland steigt.
  • Knapp 61 000 waren es im vergangenen Monat, das ist ein Plus von 124 Prozent zum April des Vorjahres.
  • Grund dafür ist das System des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das mit verbesserter Technik und zusätzlichem Personal mehr Menschen registriert.

Von Bernd Kastner, Nürnberg

Es klingt zunächst absurd. In Deutschland kommen kaum mehr Flüchtlinge an, nicht einmal mehr 16 000 waren es im April. Doch die Zahl der neu gestellten Asylanträge steigt und steigt: Knapp 61 000 waren es im vergangenen Monat, das ist ein Plus von 124 Prozent zum April des Vorjahres. Insgesamt sind in diesem Jahr schon 246 000 neue Anträge auf Schutz vor Krieg und Verfolgung eingegangen.

Man muss Frank-Jürgen Weise, dem Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), genau zuhören, um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen. Erklären lässt er sich, das ist Weises indirekte Botschaft, mit dem Erfolg seiner Arbeit, seit er das Bamf im September übernommen hat: Immer mehr der Flüchtlinge, die bisher irgendwo in Deutschland einquartiert und auch registriert sind, bei den Kommunen etwa, können nun endlich ihre Asylanträge stellen. Weil das Bamf wieder ordentlich funktioniere. Noch immer aber könnten es knapp 300 000 sein, die weiter auf ihre Antragstellung warten, ganz genau aber wisse das niemand.

Dass dieser imaginäre Stapel der ungestellten Anträge nun abgearbeitet wird, war und ist eine der Hauptaufgaben Weises, der in Personalunion auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) leitet. Wer heute einen Antrag stellt, müsse im Durchschnitt etwa drei Monate auf eine Entscheidung warten: Darunter sind einfache Fälle wie zu Syrien (meist folgt eine Anerkennung) oder zum Westbalkan (meist Ablehnung), die innerhalb nur einer Woche noch im Ankunftszentrum erledigt würden. Komplexere Entscheidungen delegiere man an die Außenstellen, erklärt Andrea Demler, zuständig fürs operative Geschäft.

Aus dem Chaos ist offenbar Struktur geworden

Kapazität für gut eine Million Anträge habe das Bundesamt in diesem Jahr, erklärte Weise. Das wären neben den genannten knapp 300 000 noch etwa 430 000, die bereits gestellt sind, und etwa 500 000 von Neuankommenden - so diese denn angesichts abgeriegelter Grenzen überhaupt kommen. Aus dem Chaos des vergangenen Jahres, als das Bamf beinahe kollabierte, ist offenbar ein strukturiertes System geworden; "integriertes Flüchtlingsmanagement" nennen sie das in Nürnberg. Um gut 130 Prozent ist die Zahl der Entscheidungen gestiegen, vergleicht man die Monate April der Jahre 2015 und 2016. Mehr als 60 Prozent der Asylbewerber erhalten derzeit offiziell Schutz in Deutschland.

Wer bleibt, hat gute Chancen, ans andere Weise-Amt weitergereicht zu werden, zur BA. Die ist zuständig für die Integration in den Arbeitsmarkt. Der Doppel-Chef der beiden Groß-Behörden liefert auch dazu Zahlen, Zahlen, Zahlen, als er am Montag die Medien empfängt: Etwa 1,5 Millionen Menschen seien von 2013 bis 2015 in die Bundesrepublik gekommen. Von diesen seien geschätzt 1,2 Millionen geblieben, von denen wiederum etwa 55 Prozent eine Bleibeperspektive hätten, also 660 000 Menschen. 70 Prozent von ihnen seien erwerbsfähig, 460 000 Personen. Und von denen sei wiederum die Hälfte jünger als 25 Jahre. Nun stehe an, diese Menschen in Sprach- und Integrationskurse und in Jobs zu bringen. "Das wächst jetzt zur großen Aufgabe", sagte Weise.

Dass das System Bamf inzwischen wieder vergleichsweise effizient arbeitet, liegt an der verbesserten Technik und am enormen Personalzuwachs. 2300 Mitarbeiter zählte das Amt Anfang 2015, sie waren hoffnungslos überfordert. Dann stockte der Bund das Personal auf insgesamt 7300 Stellen auf. 6700 davon seien inzwischen besetzt - allerdings nur 5000 mit eigenen, fest angestellten Bamf-Leuten. 1700 Mitarbeiter sind laut Weise von anderen Behörden und Unternehmen wie Bundeswehr, Zoll, Post oder Bahn ausgeliehen. Für diese Stellen seien aber inzwischen auch schon die dauerhaften Beschäftigten weitgehend ausgewählt. Diesen Mitarbeitern stehe eine wesentlich verbesserte IT zur Verfügung, betonte Weise. Inzwischen funktioniere etwa der Datenaustausch zwischen den Behörden besser, und auch mit den Gerichten kommuniziere man immer öfter elektronisch.

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SZ vom 10.05.2016/fie
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