Bundesamt für Flüchtlinge:370 000 Asylbewerber in der Warteschlange

  • Bamf-Chef Weise ist mit der Bearbeitungsdauer von Asylanträgen noch nicht zufrieden.
  • Nach Angaben der Behörde warten 370 000 Antragsteller auf einen Bescheid.
  • Bis Mitte dieses Jahres soll die Zahl der Bamf-Mitarbeiter auf 6300 anwachsen.

Von Stefan Braun, Berlin

Bei der Registrierung von Flüchtlingen und der Entscheidung über ihre Asylanträge bleibt die Lage in Deutschland angespannt. Gleichzeitig zeigen die vor vier Monaten angestoßenen Veränderungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Wirkung.

Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise zog deshalb am Freitag eine gemischte Bilanz. Er sagte, gemessen an der Dauer der Verfahren sei die Situation nach wie vor "nicht akzeptabel". Die lange Ungewissheit der Flüchtlinge über ihre Zukunft sei "für die Menschen schlimm und für jede Integrationsperspektive schlecht". Außerdem, so Weise, sei das Gefühl entstanden, "dass staatliche Ordnung fehlt". Auch zahlreiche Ländervertreter äußerten am Freitag Kritik an der langen Verfahrensdauer.

Das Urteil hängt damit zusammen, dass sich vor der Behörde weiterhin ein riesiger Berg von Altfällen türmt - und der noch ergänzt wird von Hunderttausenden Flüchtlingen, die zwar im Land sind, teilweise auch registriert wurden, aber noch keinen Asylantrag gestellt haben oder stellen konnten. Nach Angaben des Bamf warten 370 000 Antragsteller auf einen Bescheid. Bei weiteren 300 000 bis 400 000 Personen müsse mit einem Antrag gerechnet werden. Das bedeutet: Selbst wenn von nun an kein einziger Flüchtling mehr ins Land käme, müsste das Bamf noch über die Asylgesuche von etwa 670 000 bis 770 000 Menschen und entscheiden.

Altfälle würden mehr als zwei Jahre Arbeit bedeuten

Orientiert man sich an den 280 000 Verfahren, die das Bamf im vergangenen Jahr abschließen konnte, würden allein die vielen Altfälle Arbeit für mehr als zwei Jahre bedeuten. Neben seinen kritischen Wertungen gab Weise aber auch optimistische Prognosen ab. Demnach werde das Amt in diesem Jahr nach einer massiven Aufstockung des Personals in der Lage sein, bis zu 1,2 Millionen Asylanträge zu bearbeiten. Weise lehnte es strikt ab, eine Prognose über die Zahl der neu eintreffenden Flüchtlinge abzugeben. Dies sei nicht seine Aufgabe. Außerdem könne das derzeit niemand verlässlich voraussagen. Er betonte vielmehr, dass die genannte Zahl von 1,2 Millionen Asylanträgen eine Art Kapazitätsgrenze sei, die das Amt bei der jetzigen, deutlich verbesserten Ausstattung und Organisation erreichen könnte. "Kommen mehr als die darin enthaltenen 500 000 Menschen, brauchen wir entweder neues Personal oder schieben einen Rückstand ins Jahr 2017", betonte Weise.

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Nach den jüngsten Zahlen ist es dem Bundesamt gelungen, die Zahl der täglichen Entscheide über Asylanträge zwischen Januar und Dezember 2015 mehr als zu verdreifachen. Waren es im Januar 600 pro Tag, so stieg die Zahl bis Dezember auf gut 2000. Berechnet auf das gesamte Quartal, waren es in den ersten drei Monaten 57 000, im letzten Quartal von Oktober bis Dezember waren es 110 000. Ziel ist es, im Laufe des Jahres 2016 auf bis zu 6000 Entscheide am Tag zu kommen.

Zahl der Bamf-Mitarbeiter soll anwachsen

Voraussetzung dafür sind personelle und organisatorische Veränderungen, die mit der Ernennung Weises angestoßen wurden. So hatte das Bamf Anfang 2015 noch rund 2350 Mitarbeiter. Die Zahl stieg im September auf 2650 und erreichte Ende Dezember 3500. Mitte dieses Jahres soll sie auf 6300 anwachsen - und die sollen nach Planungen von Weise noch einmal um 1000 Mitarbeiter gesteigert werden, die aus anderen Bundes- und Landesbehörden abgeordnet werden sollen.

Ein besonderer Blick fällt auf die Entscheider. Sie sind es, die Flüchtlinge anhören und am Ende über einen Asylantrag befinden. Auch die Zahl der Entscheider ist massiv gestiegen. Im Januar 2015 waren es 360, bis Dezember stieg die Zahl auf 1000. Weises Ziel ist es, bis Anfang des Sommers auf rund 1700 Entscheider zu kommen. Daneben wurden auch die Strukturen verbessert, insbesondere durch die Einrichtung sogenannter Ankunftszentren, in denen künftig von der Registrierung bis zum Entscheid über den Asylantrag alles an einem Ort zusammengefasst werden soll. Derzeit gibt es vier Einrichtungen bundesweit. Im Laufe dieses Jahres sollen zwanzig weitere hinzukommen.

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