Bund und Länder einigen sich:Suche nach Atommüll-Endlager beginnt von vorn

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Vor 34 Jahren war Gorleben als Endlager für strahlenden Müll festgelegt worden - und genauso alt ist der Widerstand gegen diese Entscheidung. Nun haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, nach weiteren möglichen Standorten zu suchen. Der Salzstock von Gorleben steht aber weiter zur Diskussion. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann will dazu die Bürger befragen.

In Deutschland soll es einen Neustart bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll geben. Darauf haben sich Bund und Länder verständigt.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU, rechts) und der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, im Dezember 2010 in Gorleben. Nun soll endlich ernsthaft nach Alternativen zu dem Salzstock als Endlager für Atommüll gesucht werden. (Foto: dpa)

Wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach dem Treffen mit den 16 Vertretern der Bundesländer sagte, werde es eine "weiße Landkarte" sein, auf der nach einem möglichen Standort gesucht werden soll. Keine Region, die möglicherweise geeignet sein könnte, bleibe außen vor.

"Es gibt kein Tabu", sagte Röttgen in Berlin. "Es geht darum, den besten Ort für ein Endlager zu finden."

Noch im November solle eine Arbeitsgruppe aus acht Ländern und dem Bund ihre Arbeit aufnehmen. Die Ergebnisse des angestrebten nationalen Endlager-Konsenses sollen bis Sommer 2012 in ein Endlager-Suchgesetz einfließen. Der Umweltminister sieht die Einigung als eine große Chance, die Energiefrage nun einschließlich des Problems der nuklearen Entsorgung im Einklang zu lösen.

Bislang hatte die Bundesregierung auf Gorleben als künftigen Endlagerstandort gesetzt. Erst vor gut einem Jahr war ein zehnjähriges Moratorium zur Erkundung des Salzstocks Gorleben ausgelaufen. Der Standort ist als Endlager für hochradioaktive Abfälle jedoch hochumstritten. Nun werden offenbar ernsthaft Alternativen gesucht - und zwar nach wissenschaftlichen Kriterien. Außerdem soll das Suchverfahren transparent sein und Bürgerbeteiligung gewähren.

Der Entscheidungsprozess soll damit deutlich anders verlaufen als jener im Jahre 1977, an dessen Ende Niedersachsens Regierung den Salzstock in Gorleben als Endlager festgelegt hatte.

Wie die Prüfung von Alternativen konkret aussehen wird, soll noch in weiteren Beratungen erörtert werden. Bislang ist allerdings schon klar, dass Kriterien wie geeignete Gesteinsschichten oder die Frage einer Rückholbarkeit des Mülls festgelegt werden sollen. Alternativen zu Gorleben könnten Standorte mit Tonvorkommen sein, wie es sie etwa in Baden-Württemberg gibt. Oder Salzstöcke, die vor allem in Norddeutschland zu finden sind. Geklärt werden muss auch, ob der radioaktive Abfall oberirdisch oder unterirdisch aufbewahrt werden soll. Fest steht Röttgen zufolge aber, dass der Atommüll nicht ins Ausland gebracht und das Problem nicht auf die nächste Generation verschoben werden soll.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erklärte im Deutschlandradio Kultur, dass Gorleben im Spiel bleiben sollte, unter anderem, "weil wir Salzstöcke grundsätzlich für geeignet halten". Man dürfe keine Option von vornherein ausschließen.

Skepsis bei den Gorleben-Gegnern

Dem hatte sein Parteifreund Jürgen Trittin allerdings bereits im Vorfeld widersprochen. Der grüne Bundestags-Fraktionschef hatte einen Baustopp für Gorleben verlangt. Es bestünden "massive Zweifel" an der Eignung des Salzstocks als Atommüll-Endlager. "Wir brauchen ein Endlager, das den Atommüll für eine Million Jahre sicher einschließt", sagte Trittin.

Auch die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) halten es für inakzeptabel, dass man sich immer noch nicht endgültig vom Standort Gorleben verabschiedet hat.

Bevor dort im Salzstock die untertägigen Erkundungsarbeiten nicht endgültig gestoppt worden seien, könne nicht von einem seriösen Neuanfang bei der Suche nach dem am besten geeigneten Standort gesprochen werden, sagte der BUND-Atomexperte Thorben Becker. Voraussetzung für eine seriöse Endlagersuche sei außerdem Klarheit über die Menge des am Ende einzulagernden Atommülls. "Der Salzstock bei Gorleben wurde aus politischen und nicht aus fachlichen Gründen als Atommüll-Endlager ausgewählt. Inzwischen weiß man, dass er sich dafür nicht eignet."

Unterstützung bekamen die Gorleben-Gegner von Gregor Gysi. Der Fraktionsvorsitzende der Linken erklärte, an Gorleben festzuhalten bedeute, "die letzte Hoffnung auf Vertrauen endgültig zu zerstören und zig Millionen Steuergelder zu vergeuden". Gorleben müsse als Endlager aufgegeben werden, ebenso Schacht Konrad bei Salzgitter, wo schwach- und mittelradioaktive Abfälle gelagert werden sollen.

Um die größtmögliche Legitimation für ein Atommüll-Endlager zu erreichen, hält Winfried Kretschmann eine Volksabstimmung für sinnvoll. "Wenn es ein nationaler Konsens ist, den wir da treffen, dann könnten wir auch nur national darüber abstimmen", sagte der Ministerpräsident. Er schränkte aber zugleich ein: "Im Grundgesetz sind solche Abstimmungen bisher überhaupt nicht vorgesehen."

Seit gut 34 Jahren wird nur der Salzstock im niedersächsischen Gorleben geprüft. In die Erkundung wurden bisher rund 1,6 Milliarden Euro investiert. Doch SPD, Grüne, Linke und Umweltverbände dringen auf Alternativen, weil der Standort zu unsicher sei, um dauerhaft den hochradioaktiven Müll sicher zu verschließen.

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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