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Bulgarische Krankenschwestern in Libyen:Gericht bestätigt Todesstrafe

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Im letzten Berufungsprozess hat das Oberste Gericht in Libyen die Todesstrafe für fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt bestätigt, denen vorgeworfen wird, Hunderte Kinder vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Doch es gibt noch Hoffnung für die Verurteilten.

Dies berichteten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP aus Tripolis. Die Gerichtssitzung fand in Abwesenheit der Beschuldigten statt und dauerte fünf Minuten.

Die Krankenschwestern und der Arzt waren im Mai 2004 für schuldig befunden worden, in einem Krankenhaus in Benghasi 438 libysche Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Experten hatten den Aids-Ausbruch in dem libyschen Kinderkrankenhaus dagegen auf die schlechte Hygiene zurückgeführt.

Das Los der sechs Verurteilten ist damit aber noch nicht endgültig entschieden. Der Oberste Justizrat kann die Urteile noch zurückweisen oder ändern. Der Rat wird voraussichtlich am 16. zusammentreten. Sollte auch dieses Gremium die Todesstrafe bestätigen, bleibe noch eine politische Lösung, die auch den "humanitären Gesichtspunkt" berücksichtigen könnte, berichtete der bulgarische Staatsrundfunk unter Berufung auf den libyschen Justizminister.

Grundsätzlich möglich wäre die Umwandlung der Strafe durch den Justizrat aufgrund einer am Dienstag erzielten Einigung mit den Familien der Opfer. Die Gaddafi-Stiftung hatte gestern mitgeteilt, dass die Familien der Opfer finanzielle Entschädigungen akzeptiert hätten. "Wir haben einen Kompromiss erreicht, der für die Familien der Opfer akzeptabel ist", sagte Stiftungschef Salah Abdessalem der Nachrichtenagentur AFP.

Auslieferung möglich

Er äußerte die Erwartung, dass der Kompromiss alle Seiten zufriedenstellen und die Krise beenden werde. Abdessalem leitete die Verhandlungen zwischen Libyen, der Europäischen Union und den Opfer-Familien.

Der Kompromiss kann nun dem Obersten Justizrat in Libyen vorgelegt werden, der entscheiden kann, die - jetzt vom Obersten Gericht bestätigten - Todesstrafen in Haftstrafen umzuwandeln. Da zwischen Libyen und Bulgarien ein Auslieferungsabkommen besteht, könnten die Krankenschwestern eine Haftstrafe in ihrer Heimat verbüßen.

Die seit knapp achteinhalb Jahren inhaftierten Verurteilten hatten wiederholt ihre Unschuld beteuert und die Aids-Infektionen auf die schlechten hygienischen Zustände in dem Krankenhaus zurückgeführt. Mehrere europäische Politiker und US-Präsident George W. Bush hatten sich für die Verurteilten eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft forderte Ende Juni eine Bestätigung des Todesurteils.

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AFP/AP/dpa
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