Parlamentswahl:Bulgarien steht vor schwieriger Regierungsbildung

Parlamentswahl in Bulgarien

Erst auf den zweiten Blick: Eine Wählerin gibt am Sonntag ihre Stimme in Sofia ab.

(Foto: Valenitna Petrova/dpa)

Der Ministerpräsident verpasst die absolute Mehrheit. Viele Stimmen bekommt die Protestpartei eines früheren TV-Moderators.

Die Partei von Ministerpräsident Boiko Borissow konnte sich bei den Wahlen in Bulgarien als stärkste politische Kraft behaupten, steht aber vor komplizierten Verhandlungen für ein neues Regierungsbündnis. Borissows Partei GERB erhielt den Prognosen von Gallup International und weiteren Meinungsforschungsinstituten zufolge etwa 25 Prozent der Stimmen. Vor vier Jahren hatte sie noch mehr als 33 Prozent der Stimmen errungen.

Zudem zeichnet sich am Sonntagabend ein zersplittertes Parlament mit wohl sieben Parteien ab - es ist daher fraglich, ob Borissow nach der Wahl unter Corona-Bedingungen erneut eine Koalition schmieden kann.

Um den zweiten Platz gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Sowohl der Protestpartei "Es gibt so ein Volk" (ITN) des TV-Moderators und Kabarettisten Slawi Trifonow als auch den oppositionellen Sozialisten werden 15 bis 17 Prozent eingeräumt. Zwei weitere Protestparteien, die von der türkischen Minderheit in Bulgarien geprägte DPS sowie die nationalistische WMRO, ziehen den Prognosen zufolge ebenfalls ins Parlament ein.

Die Parteien, die die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament voraussichtlich überwunden haben, haben sehr unterschiedliche Prioritäten. Den einen ist die von Borissow angestrebte Einführung des Euro zum 1. Januar 2024 besonders wichtig, die Sozialisten setzen auf eine engere Zusammenarbeit mit Russland.

Der 61-jährige Borissow, ein Ex-Feuerwehrmann und Ex-Leibwächter, hat zuletzt an Popularität eingebüßt. Zwar hat er die Staatsverschuldung eher gering halten können und dafür gesorgt, dass Bulgarien im "Warteraum" für die Einführung des Euro sitzt. Allerdings war es 2020 zu monatelangen Straßenprotesten gekommen. Kritiker werfen Borissow Versagen im Kampf gegen die Korruption im Land und mangelnden Erfolg bei der Justizreform vor. Auch soll er EU-Gelder an Unternehmen weitergeleitet haben, die der GERB nahestehen. Borissow hat dies zurückgewiesen. Er steht seit 2009 mit einer kurzen Unterbrechung an der Spitze der Regierung.

Die Protestpartei ITN verkündete im Fernsehsender 7/8, dass sie keine Koalition mit den "Parteien des Status quo" - also Borissows GERB, den Sozialisten sowie der Partei der türkischen Minderheit DPS - eingehen werde.

Die Endergebnisse der Wahl werden Mitte der Woche erwartet.

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