Süddeutsche Zeitung

Bulgarien:Der Wandel kann kommen

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Nach drei Parlamentswahlen in diesem Jahr bekommt das Land nun wohl wieder eine Regierung. Deren erklärtes Ziel: "Null Toleranz für Korruption".

Von Tobias Zick, München

Nach einer Reihe gescheiterter Anläufe bekommt Bulgarien nun wohl eine neue Regierung - und zwar eine, die mit gewaltigen Ansprüchen antritt. Stimmt an diesem Montag noch wie geplant das Parlament zu, dann wird Kiril Petkow der neue Ministerpräsident des südöstlichen EU-Landes. Wofür seine Regierung stehen soll, das fasste er am Wochenende so zusammen: "Null Toleranz für Korruption und völlige Transparenz."

Bei der Parlamentswahl Mitte November - es war die dritte in diesem Jahr - hatte Petkows Partei mit dem programmatischen Namen "Wir setzen den Wandel fort" (PP) mit 25,67 Prozent die meisten Stimmen erzielt, vor der langjährigen, als korrupt geltenden Regierungspartei Gerb, die auf 22,7 Prozent kam. Es galt als durchaus wahrscheinliches Szenario, dass eine Koalitionsbildung abermals scheitern würde. Dass nun doch ein Bündnis unter der Führung der PP zustande kam, ist auch eine Genugtuung für Staatspräsident Rumen Radew, der kürzlich per Wahl im Amt bestätigt wurde. Er hatte sich offen auf die Seite der Protestierenden gestellt, die im vergangenen Jahr zu Zehntausenden gegen die endemische Korruption und die systematische Begünstigung von Oligarchen unter der Gerb-Regierung des Langzeitpremiers Bojko Borissow auf die Straße gegangen waren.

Nachdem die erste Parlamentswahl dieses Jahres, im April, kein funktionierendes Regierungsbündnis hervorgebracht hatte, setzte Radew eine Expertenregierung ein. Zum kommissarischen Wirtschaftsminister machte er den 41-jährigen Kiril Petkow, der seine Jugend in Kanada verbrachte hatte, dort zunächst Biologie und Chemie studierte, dann auf Betriebswirtschaft umsattelte, seinen Master in Harvard machte und in Bulgarien mehrere Unternehmen gründete, unter anderem einen Hersteller von Kapseln mit verdauungsfördernden Bakterien.

"Teuflisches Machtgefüge"

Während er kommissarisch das Wirtschaftsministerium führte, übernahm sein früherer Hochschul-Kollege Assen Wassilew das Finanzministerium. Zusammen gründeten sie im Sommer die neue Partei "Wir setzen den Wandel fort", mit der sie nun die Mehrheit erzielt haben - und den Auftrag zur Regierungsbildung durch ihren Förderer, Präsident Radew. Der gab ihnen am Samstag große Worte mit auf den Weg: Sie und ihre Koalitionspartner stünden in der Verantwortung, "ein teuflisches Machtgefüge abzubauen und es mit Korruption und Gesetzlosigkeit aufzunehmen, mit Ungleichheit, Ungerechtigkeit und der Unterwanderung des Staats".

Die Koalitionspartner, das sind: die aus der früheren Kommunistischen Partei hervorgegangenen Sozialisten, die 2014 mal selbst von Anti-Korruptions-Protesten aus der Regierung getrieben wurden und diesmal gut zehn Prozent der Stimmen erzielten, außerdem die Protestpartei "Es gibt so ein Volk" (ITN) des Entertainers Slawi Trifonow und das Bündnis Demokratisches Bulgarien.

Petkow zeigte sich für bulgarische Verhältnisse optimistisch, dass das Bündnis halten wird: "Es ist unser Ziel, das Land für die Dauer von vier Jahren zu regieren", sagte er am Samstag. Zu tun gibt es genug: Das Land hat seiner jungen Generation wenig Perspektiven zu bieten; wer kann, wandert aus. Die Bevölkerung schrumpft rasant. Obendrein wütet das Coronavirus so ungebremst wie kaum anderswo in Europa; die Impfquote ist die niedrigste in der ganzen EU.

Ein aus Brüsseler Sicht gewichtiges Problem dürfte allerdings auch unter der neuen Regierung so schnell nicht verschwinden: Bulgarien blockiert die Beitrittsgespräche der EU mit dem Nachbarland Nordmazedonien - verbunden etwa mit der Forderung, die dortige Regierung müsse zunächst offiziell anerkennen, dass die Landessprache lediglich ein Dialekt des Bulgarischen sei. Die bulgarische Position "bleibt, wie sie ist", stellte Petkow am Wochenende klar, wenngleich man durchaus "Fortschritte machen" und an "guter Nachbarschaft" arbeiten wolle. Seine Regierung aber, das fügte er abschließend hinzu, werde grundsätzlich für bulgarische Interessen eintreten.

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