Süddeutsche Zeitung

Bulgarien:Schon wieder Neuwahlen

Nachdem drei Parteien in Folge mit der Regierungsbildung gescheitert sind, gibt Staatspräsident Radew einen Termin für den nächsten Urnengang bekannt - den fünften binnen zwei Jahren. Bulgarien ringt auch um sein Verhältnis zu Russland.

Von Tobias Zick

Bulgarien wird zum fünften Mal binnen zwei Jahren wählen, den Termin für den neuen Urnengang gab Staatspräsident Rumen Radew am Dienstag bekannt: Sonntag, 2. April. Dies sei der frühestmögliche Termin, zu dem sich die Abstimmung regelkonform organisieren lasse. Zugleich kündigte Radew an, dass er das Parlament zum 3. Februar auflösen werde - und appellierte an die Abgeordneten, er hoffe, sie würden die verbleibende Zeit bis dahin nutzen, um "zu beweisen, dass der Kampf gegen Korruption, der Aufbau- und Resilienzplan und die europäische Integration echte Prioritäten sind und nicht bloße Wahlkampfversprechen".

Am selben Tag hatte die Vorsitzende der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), Kornelija Ninowa, dem Präsidenten mitgeteilt, dass sie ihr Mandat zur Regierungsbildung nicht erfüllen könne. Zuvor waren damit bereits nacheinander zwei andere von ihm beauftragte Parteien gescheitert, die konservative Gerb ("Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens") und der progressiven Plattform "Wir setzen den Wandel fort" (PP). Nach drei gescheiterten Versuchen, so schreibt es die Verfassung vor, muss der Präsident Neuwahlen ansetzen.

Beobachter berichten von gesteigerten russischen Propaganda-Aktivitäten

Welche Änderungen im derzeit regierenden Übergangskabinett anstünden, wollte Radew zunächst nicht sagen. Kritiker hatten dem Präsidenten zuletzt vorgeworfen, von der andauernden politischen Instabilität des Landes zu profitieren, indem er sich durch das Einsetzen immer neuer Übergangsregierungen direkten Einfluss auf das Regierungshandeln sichere. Traditionell wird Radew eine gewisse Nähe zu der aus der einstigen kommunistischen Partei hervorgegangenen BSP nachgesagt, auch wenn das Verhältnis zuletzt immer gespannter wirkte. Recht einig waren sich beide Seiten in ihrem Bemühen, sich nicht allzu sehr mit Moskau zu überwerfen - und damit in ihrer Skepsis gegenüber der dezidiert proukrainischen Linie, die in der ersten Jahreshälfte 2022 die damalige von der reformorientierten PP geführte Regierung unter Premier Kiril Petkow verfolgt hatte.

Radew, der etwa im November erklärt hatte, die Halbinsel Krim sei russisches Territorium, nahm am Sonntag in einer Rede Bezug auf einen Bericht der Welt, wonach Sofia unter Petkow die Ukraine stärker als bislang bekannt auf Umwegen mit Munition und Treibstoff unterstützt habe. Jegliche Waffenlieferung an die Ukraine sei, "als wolle man Feuer mit Benzin löschen", so der Präsident. Die Bevölkerung Bulgariens, das zu Sowjetzeiten als engster Verbündeter Moskaus in Südosteuropa galt, ist in der Haltung zum Ukraine-Krieg tief gespalten. In jüngster Zeit berichten Beobachter von deutlich gesteigerten russischen Propaganda-Aktivitäten im Land.

Der Reformer Kiril Petkow, der von einer Welle massiver Antikorruptions-Proteste Ende 2021 ins Amt getragen worden war, wurde nach nur einem halben Jahr per Misstrauensvotum abgesetzt, nachdem ein Koalitionspartner aus dem damaligen Viererbündnis ausgestiegen war. Bei der folgenden vorgezogenen Parlamentswahl im Oktober 2022 wurde die konservative Gerb des früheren Ministerpräsidenten Bojko Borissow - gegen den sich zuvor ein wesentlicher Teil des Zorns der Demonstranten gerichtet hatte - stärkste Partei. Die Konservativen schafften es aber nicht, ein Regierungsbündnis zu schmieden, obwohl Borissow angeboten hatte, die Parteiführung abzugeben. Er gilt in der Bevölkerung als schwer vermittelbar.

Fortschritte in Gefahr?

Unterdessen wachsen die Befürchtungen, dass die politische Instabilität die jüngsten Fortschritte im Land weiter ausbremsen könnte. So stehen mehrere geplante Gesetzesreformen noch aus, die die EU-Kommission zur Bedingung für die Auszahlung von mehr als sechs Milliarden Euro im Rahmen ihres Aufbau- und Resilienzprogramms gemacht hat. Zudem wirft Österreich der Regierung in Sofia vor, zu wenig für den Schutz der EU-Außengrenze zu tun, und hat deswegen ein Veto gegen die geplante Aufnahme Bulgariens sowie des Nachbarn Rumänien in die Schengen-Zone eingelegt. Die US-Botschafterin in Sofia warf am Sonntag dem seit Langem umstrittenen Generalstaatsanwalt Iwan Geschew vor, Ermittlungen gegen mutmaßlich korrupte Akteure im Land zu blockieren. Kurz zuvor hatte die "Staatengruppe gegen Korruption" (Greco), eine Institution des Europarats, dem Land mangelnde Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit bescheinigt.

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