Süddeutsche Zeitung

Bürokratie:An die Leine

Viele Hundetrainer sind in Aufruhr: Nach einer neuen Regel im Tierschutzgesetz sollen sie allerlei Tests bestehen, mancher Lehrgang kostet Tausende Euro. Wer sagt eigentlich, was man wissen muss?

Von Annette Zoch

Der Hund beißt, zerrupft die Gardinen, jagt den Paketboten? Ein klarer Fall für den Hundetrainer. Welpen- oder Hundeschulen werden immer beliebter, sogenannte Hundeflüsterer touren durch deutsche Mehrzweckhallen und füllen das nachmittägliche Fernsehprogramm.

Doch die Berufsbezeichnung Hundetrainer war in Deutschland bisher nicht geschützt, entsprechend undurchsichtig ist die Branche. Jeder, der schon mal ein Hundebuch in der Hand hatte, konnte seine Dienste als Trainer anbieten. Das wollte die Bundesregierung mit der Änderung des Tierschutzgesetzes im vergangenen Jahr ändern. Laut Paragraf 11 benötigt nun jeder, der gewerbsmäßig in der Hundeausbildung arbeitet, einen Sachkundenachweis. "Ich hielt das zunächst für eine gute Sache", sagt Hundetrainer Kai Völker aus dem hessischen Feldatal.

Doch aus guten Absichten erwuchs Chaos: Weder das Bundeslandwirtschaftsministerium noch die Landesministerien haben geregelt, wie genau die Trainer-Erlaubnis erteilt werden soll. Es gibt zwar einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen, aber keine Prüfungsordnung; jedes Veterinäramt handelt eigenständig.

Kai Völker hat seine Trainerausbildung 2009 am Ausbildungszentrum Ostwestfalen-Lippe gemacht und seither erfolgreich mit Problemhunden gearbeitet. Dem Veterinäramt reichte das nicht: Er darf nicht mehr als Hundetrainer arbeiten. Während manche Ämter Ausbildungsnachweise und Berufserfahrung anerkennen, verlangen andere ein dreistufiges Prüfverfahren mit Multiple-Choice-Test, Fachgespräch und praktischer Prüfung. Der Multiple-Choice-Test stößt in der Branche auf Kritik: "Dort wird vor allem tiermedizinisches Detailwissen abgefragt", sagt Hundetrainer Udo Pitzing aus Lüchow-Dannenberg, ebenfalls mit Berufsverbot belegt. "Da kommen so absurde Fragen wie: ,Was ist eine Harnblase?' Oder: ,Welche Farbe hat der Heimtierausweis?' Mit meiner Arbeit als Hundetrainer, bei der es um die Körpersprache und das Verhalten des Hundes geht, hat das nichts zu tun."

Anerkannt wird dagegen ein Zertifikat der Tierärztekammern Niedersachsen und Schleswig-Holstein, es kostet zwischen 700 und 1000 Euro Gebühr. Die Industrie- und Handelskammern Potsdam, Düsseldorf und Freiburg bieten ebenfalls einen Lehrgang zum "Hundeerzieher und Verhaltensberater" an, dieser kostet bis zu 4000 Euro. Die Tierärzte verteidigen die Zertifikate. Auch private Trainingsinstitute ließen sich die Ausbildung oft teuer bezahlen, sagen sie. Was dort gelehrt werde, unterliege aber keiner Prüfung.

Im Bundeslandwirtschaftsministerium heißt es nun, man prüfe eine Überarbeitung des Genehmigungsverfahrens. Udo Pitzing hat alle Workshops abgesagt. "Meine langjährigen Kunden können natürlich nicht verstehen, warum ich plötzlich keine Ahnung mehr von meinem Beruf haben soll." Kai Völker bietet seine Dienste weiter an - aber nur auf ehrenamtlicher Basis und nur bei akuten Notfällen mit Problemhunden. Denn Völker ist auch Vorsitzender des Tierschutzvereins "Hundehalter-Nothilfe e. V.". Tierschutzvereine sind von der Genehmigungspflicht ausgenommen.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2015
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