Wahl in Hamburg: SPD triumphiert:HH sagt der Clown

Grenzenlose Euphorie: Die Sozialdemokraten sind nach ihrem furiosen Wahlsieg in Hamburg außer sich vor Begeisterung - und die deklassierte CDU heult. Die große Frage lautet jetzt: Wie wird aus einem trockenen SPD-Mann wie Olaf Scholz ein Siegertyp?

Heribert Prantl

Erfolgreich ist ein Politiker, wenn er Eigenschaften besitzt, die Einfluss haben auf die Gesellschaft und den Menschen. Das ist ein Satz aus dem politologischen Seminar. Er reicht aber nicht aus, um zu erklären, wie ein spröder Mensch wie Olaf Scholz auf einmal so ein gewaltiges Feuerwerk auslösen kann. Er reicht nicht aus, um zu begründen, wie aus diesem Mann schier rauschhaft ein Erster Bürgermeister wird.

Hamburger Bürgerschaftswahl SPD

Hat Grund zur Freude: Der Spitzenkandidat der Hamburger SPD, Olaf Scholz.

(Foto: dpa)

Nun: Ihm und der SPD kamen günstigste Umstände zu Hilfe, nämlich der Abgang Ole von Beusts und der furchtbare Verfall der hamburgischen CDU. Politischer Erfolg ist also, jedenfalls in gewissem Maß, auch Zufall und eine Gunst der Stunde. Ein wirklich überlegenes politisches Talent zeigt sich erst darin, dass ein Politiker diesen Zufall auch steuern kann und ihm nicht unterworfen ist. Solches Talent führt dann dazu, dass einer nicht nur nach oben kommt, sondern auch oben bleibt. Ob Scholz dieses Talent hat, muss sich noch zeigen.

Wie kommt es, dass sich eine Pappschachtel in ein Schatzkästlein verwandelt? Was ist geschehen, wenn ein vermeintlich konturenloser Polit-Manager wie Olaf Scholz nun als Siegertyp dasteht? Wie kann es passieren, dass einer, der als "Scholzomat" beschrieben wurde, als ein blecherner Automat also, auf einmal als großer Sympathieträger gilt? Ist es ein politisches Pfingstwunder, wenn seine Sätze, die früher als gestanzte Formeln galten, nun als sensible Politpoesie durchgehen?

Anders gefragt: Wie wird einer vom Verlierer zum Sieger, wenn er doch selbst mehr oder weniger derselbe geblieben ist? Da mag es zuvor gewisse Fehlbewertungen der Person gegeben haben. Aber auch für deren Korrektur müssen günstige Umstände zu Hilfe kommen. Scholz und die SPD können die Wahl in Hamburg deshalb glorreich gewinnen, weil die Umstände für sie so sensationell günstig waren. Das war und ist, wie gesagt, Zufall; aber solcher Zufall gehört zur demokratischen Normalität.

Die Umstände: Es handelt sich dabei um die Beleuchtungstechnik des Zufalls. Eine Beleuchtung kann den Fahlen farbig und den Farbigen fahl erscheinen lassen. Eine gute Beleuchtung macht aus Sperrholz Blattgold. Im Licht des eskapistischen Rückzugs Ole von Beusts und im Licht der allgemeinen Verdrießlichkeit der Hamburger über die scheuernde schwarz-grüne Koalition wurde der Blick auf Olaf Scholz und auf seine SPD vollkommen verwandelt. Nach der Flucht des Ole von Beust aus der Verantwortung erschien den Wählern der vorher eher sperrige Olaf Scholz, der sich von vielen Niederlagen und Misserfolgen in Bund und Land nicht hat niederdrücken lassen, auf einmal als die Verkörperung der Seriosität.

Und angesichts einer völlig zerstrittenen CDU erinnerten sich Hamburgs Bürgerinnen und Bürger daran, dass sie unter der Regierung der SPD einst schon glanzvolle Zeiten erlebten. Wahlen in Hamburg hatten zuletzt den Sozialdemokraten Höllenstürze und den Christdemokraten Himmelfahrten beschert. Jetzt ist es wieder umgekehrt.

Von Ole zu Olaf: Für Olaf Scholz waren und sind 2010/2011 die Umstände in Hamburg ähnlich günstig, wie sie einst für seinen Förderer Gerhard Schröder 1998 im Bund waren. Damals, 1998, war die Ära Helmut Kohl, für jeden spürbar, zu Ende; auch ein anderer Sozialdemokrat als Schröder hätte wohl gegen Kohl gewonnen. Und in Hamburg war nun zuletzt, für jeden spürbar, die Ära der CDU zu Ende.

Olaf Scholz ist ein Mann, der auf den Fotos manchmal ausschaut wie ein Clown nach dem Abschminken. Diese Melancholie wird jetzt zur Euphorie: HH sagt der Clown. Die SPD ist außer sich vor Begeisterung, die CDU heult, die FDP jubelt über einen kleinen Erfolg, die Grünen können zufrieden sein.

Hui und Pfui

Der Wechsel von der Wehklage zum Hallelujah gehört zur Demokratie; Demokratie besteht auch aus einer Abfolge von Hui und Pfui für die, die sich zur Wahl stellen. Und es überleben in der Demokratie die Parteien und die Politiker, die solche emotionale Rotation ertragen können. In Hamburgs jüngerer Vergangenheit hat es Aufstieg und Fall der Parteien immer wieder gegeben. Zumal die Wahlen dort haben gelehrt, dass Exaltationen, enorme Ausschläge nach oben und unten, zur Demokratie gehören.

Es hat sich in der Hansestadt exemplarisch gezeigt, wie Trends entstehen, wie sie aufwallen, wieder verebben und schließlich verschwinden - noch bevor sie sich auf Bundesebene etablieren können. So war das 1993, als die Statt Partei gewaltigen Zulauf hatte; so war das 2001, als die Partei des Ronald Barnabas Schill, die Partei mit dem heuchlerischen Namen "Rechtsstaatliche Alternative", auf Anhieb 19,4 Prozent der Stimmen gewann.

Schon bei den jeweils nächsten Wahlen begann bei beiden Parteien wieder das Zerbröseln. Wären all die Wahlkommentare und Wahlanalysen der vergangenen fünfundzwanzig Jahre über einen angeblich finalen Niedergang der SPD oder gar der Volksparteien überhaupt richtig gewesen - die hanseatische Politlandschaft müsste heute völlig anders aussehen.

Dies mag Trost sein für die deklassierte CDU. Sie wird es genauso wieder nach oben schaffen, wie es die gestern und vorgestern deklassierte SPD geschafft hat. Die Frage ist nur, wie lange es dauert.

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