Bürgerschaftswahl in Hamburg:Ackern auf dem gleichen Feld

Die Freie und Hansestadt Hamburg wählt. Bei näherer Betrachtung wollen fast alle Politiker der Stadt dasselbe. Spannend ist lediglich, wer die Ziele überzeugender vertritt.

Ralf Wiegand

Nicht, dass es schlecht vorbereitet gewesen wäre. Auf jedem Stuhl im prächtigen Saal des Curio-Hauses lag ein Papierfähnchen, im Hintergrund spielte eine kleine Combo solide Kaufhausmusik, und vorne vor der Bühne erschien alsbald eine Art Animateur, der vor dem großen Auftritt der angekündigten Politprominenz die Stimmung ein wenig anheizen wollte. Dass er das tat, als träten gleich Kasperl und Krokodil vor den Vorhang und nicht der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle mit der Hamburger Spitzenkandidatin Katja Suding, ist nicht deren Schuld gewesen. "Kann ich noch einmal die Fähnchen sehen!", rief also der Animateur wie beim Tanztee. Tonloses Knattern von hundert Fähnchen folgte - und eine mal wieder blutleere Rede der liberalen Frontfrau: Wort für Wort vorgelesen, betulich betont wie ein Märchen der Brüder Grimm, ohne Tief- und Höhepunkt. Man hätte sich gewünscht, ihre Erkältung hätte sie wenigstens ein bisschen heiser gemacht.

People walk past election campaign placards showing top candidates of CDU, FDP and SPD for upcoming Hamburg state elections in Hamburg

Auf den Straßen der Hansestadt stehen die Wahlwerbungen der Kandidaten Seite an Seite.

(Foto: REUTERS)

Dass die FDP nach ihrem geradezu einfältigen Wahlkampf in der Hansestadt dennoch den Hotspot des kommenden Sonntags liefern könnte, charakterisiert sehr schön die eigenartigen Machtverhältnisse in der Stadt bei gleichzeitigem Themenvakuum. Die FDP von Katja Suding, 36, die als schweigsames Fotomotiv an Westerwelles Seite eine steile Karriere gemacht hat und in Hamburg im Friesennerz so clean von den Plakaten lächelt, dass mancher die Kampagne mit dem Zusatz "Cape 29,90 Euro" als Klamottenwerbung verulkte, könnte tatsächlich das einzige Regulativ gegen den ungezügelten Aufstieg der SPD zur allmächtigen Hamburg-Partei werden. Das liefert der FDP wenigstens ein Argument für mögliche Wähler: "Nur die FDP verhindert sicher eine absolute Mehrheit für die SPD", säuselte Suding, die seit 2006 der FDP angehört.

Seitdem die Kurve der Sozialdemokraten nicht mehr unter 43 Prozent sinkt, rechnen Demoskopen, wie ein rotes Rathaus zu verhindern wäre. Ohne die FDP in der Bürgerschaft reichten den Sozialdemokraten wohl 46,5 Prozent der Stimmen für die absolute Mehrheit, mit den Liberalen müssten sie auf deutlich mehr als 48 Prozent kommen. Dafür aber, dass der designierte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Falle einer notwendigen Koalition die FDP auswählen würde, ist nicht einmal dieser Hamburger Wahlkampf zu inhaltsleer.

Schwer zu unterscheiden sind die Programme der Parteien aber schon. Nach einer ermüdenden Phase schwarz-grüner Leuchtturmpolitik sind die Projektmanager der Parteien offenkundig ein wenig platt. Moorburg verhindern, die Stadtbahn bauen, länger gemeinsam lernen - das waren die großen Themen des vergangenen Wahlkampfs, aus dem die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene entstanden war. Inzwischen weiß man: Das Kohlekraftwerk Moorburg ist im Bau, die Pläne für eine Stadtbahn sind beerdigt, das ehrgeizige Schulmodell haben die Bürger verhindert - "vielleicht ist es jetzt die Aufgabe der Politik, ohne Leuchttürme auszukommen", sagt der SPD-Politiker Andreas Dressel.

Korrektur der eigenen Politik

Der Abgeordnete gehörte zu den Adjutanten von Spitzenkandidat Scholz, als der mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) jüngst live im Fernsehen die Klingen kreuzte. Auch dieses sogenannte Duell litt darunter, dass im Prinzip fast alle Politiker in der Stadt dasselbe wollen. Jede Partei präsentiert sich als einzig wahrer Wahrer des Schulfriedens, den die Bürgerschaft als Folge des erfolgreichen Volksaufstands gegen die große schwarz-grüne Bildungsreform mit breitester Mehrheit geschlossen hatte. Wer ihn bräche, würde sich selbst beerdigen.

Zum Konsens-Programm, das in jeder denkbaren Koalition in drei Minuten auszuhandeln wäre, gehört auch die Rücknahme der Erhöhung der Kita-Gebühren. Selbst CDU und GAL (Hamburgs Grüne), die den Aufpreis für die Kita-Betreuung beschlossen und ihre Folgen für junge Paare vollkommen unterschätzt hatten, würden die Korrektur ihrer eigenen Politik sofort unterschreiben.

Ebenso Konsens: Ein konsequenter Weg Richtung Null-Neuverschuldung, um für die Schuldenbremse gut vorbereitet zu sein. Hier wenigstens heben sich CDU und SPD ein wenig voneinander ab; die einen - die Union - wollen schneller mehr sparen, die Sozialdemokraten erst noch ein paar soziale Verbesserungen möglich machen. Ansonsten beackern alle dieselben Felder bis zur Austauschbarkeit: Die SPD geht mit einem designierten Wirtschaftssenator ins Rennen, den einst die CDU haben wollte, und die Grünen laden zu einer Barkassenfahrt durch den Hafen ein, um endlich mit dem Vorurteil aufzuräumen, sie hätten was gegen die Hafenwirtschaft.

Gegen den Hafen zu sein, würde wie die Schulfrage ebenfalls den Selbstvernichtungsmechanismus auslösen. Sie wisse gar nicht, "woher das eigentlich kommt", wunderte sich Spitzenkandidatin Anja Hajduk, während der Elbwind an ihr zauste. Möglicherweise wird man sich bei der bevorstehenden Elbvertiefung, für CDU, SPD und FDP ein Muss, wieder daran erinnern - die Grünen würden den Fluss gern so behalten, wie er ist.

Und so konzentriert sich der Wahlkampf eben hauptsächlich auf Zahlen und Gesichter, das ist das große Glück der FDP. Am Rande eines Spaßwahlkampfs hat sie sich mit Katja Suding tatsächlich an den Rand der Fünf-Prozent-Hürde geschoben. "Solche Frauen gehören auch sehr wohl in die Politik", trällerte Westerwelle im Wahlkampffinale. Solche Parteien wie seine ja wohl auch.

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