Bürgerschaftswahl in Bremen:Auf der Suche nach Erklärungen

Wahl in Bremen

Enttäuschung bei der Wahlparty der SPD in Bremen: Die Sozialdemokraten fahren das schlechteste Ergebnis seit 1946 ein.

(Foto: dpa)
  • Schlappe für SPD und Grüne bei der Bremer Bürgerschaftswahl - für die Regierungskoalition wird es eng.
  • Der schwächelnden FDP gelingt der zweite Wahlerfolg des Jahres: Sie zieht mit 6,5 Prozent in die Bürgerschaft ein.
  • Die CDU kann sich verbessern und wird zweitstärkste Kraft.
  • Neben SPD und Grünen muss auch die AfD zittern: Noch ist unklar, ob sie den Sprung ins Landesparlament schafft.

Von Hannah Beitzer, Bremen

SPD erleidet deutliche Verluste

Auf 32,5 bis 33 Prozent kommt die SPD in der Bremer Bürgerschaft ersten Prognosen zufolge. Das ist das schlechteste Ergebnis seit 1946 und deutlich weniger als die 38,6 Prozent von 2011 - für die rot-grüne Regierungskoalition wird es eng. Die Partei rätselt über die Gründe für das schlechte Abschneiden und wird in den kommenden Wochen Ursachenforschung betreiben müssen. Trotz der Verluste bleibt die SPD aber stärkste Kraft in der Bürgerschaft. Der Stadtstaat Bremen ist das einzige deutsche Bundesland, das seit 1945 ununterbrochen von der SPD regiert wird - und daran wird sich auch in Zukunft wohl nichts ändern.

Vielleicht ist diese Kontinuität auch dafür verantwortlich, dass viele Bremer erst gar nicht zur Wahl gingen - die Wahlbeteiligung lag bei um die 50 Prozent und damit so niedrig wie selten zuvor. Vor allem in den sozial schwachen Stadtteilen gehen in der Regel nur wenige Bremer zur Wahl. Dabei sind es die Bürger dort, die am meisten unter den Problemen der Stadt leiden: Armut und ein Bildungssystem, das in den bundesweiten Rankings regelmäßig auf dem letzten Platz landet.

Grüne verlieren gegenüber Rekordergebnis von 2011

14,5 bis 15,5 Prozent der Stimmen gehen an die Grünen. Im bundesweiten Vergleich ist das ein vergleichsweise ordentliches Ergebnis für die Partei, trotzdem tut es gerade in Bremen auch ein bisschen weh. Die Stadt gilt als linksalternativ. 2011 gelang es den Grünen hier, mit 22,5 Prozent der Stimmen, zweitstärkste Kraft nach der SPD zu werden. 2011 war das Jahr der Fukushima-Katastrophe; das Jahr, als den Grünen der spektakuläre Wahlsieg in Baden-Württemberg gelang; das Jahr, als die Partei ernsthaft davon träumte, die SPD zu überholen.

In Bremen wurden die Grünen nun ein weiteres Mal daran erinnert, dass der Traum nur von kurzer Dauer war. Zumal sie in der Hansestadt auch keinen leichten Stand haben, denn ihre Spitzenkandidatin Karoline Linnert ist seit 2007 Finanzsenatorin in der chronisch klammen Stadt und damit hauptsächlich fürs Sparen zuständig. Auf diesem Weg massenhaft Wähler zu überzeugen, würde jeder Partei schwer fallen, einer links der Mitte allemal.

Neue Hoffnung für die FDP

CDU verbessert sich leicht und wird zweitstärkste Kraft

22 bis 23 Prozent der Stimmen erhält die CDU bei der Wahl. Das ist etwas besser als 2011, als sie mit 20,4 Prozent hinter die Grünen zurückgefallen war. Nach dem Absacken der Grünen ist die Partei mit ihrer Spitzenkandidatin, der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann, wieder zweitstärkste Kraft.

Motschmann hat zwar angekündigt, für ein Amt in der Bremer Fraktion zur Verfügung zu stehen, doch nicht wenige gehen davon aus, dass sie stattdessen in Berlin bleibt und ihr Bundestagsmandat behält. Die Lage ändert sich allerdings komplett, wenn es nicht für eine rot-grüne Mehrheit reicht.

FDP gelingt Einzug in die Bremische Bürgerschaft

6,5 Prozent - die Anhänger der Bremer FDP haben allen Grund zu jubeln. 2011 scheiterte die Partei in der Hansestadt mit kläglichen 2,4 Prozent. In diesem Jahr gelingt der totgeglaubten FDP nun schon der zweite Erfolg nach der Hamburg-Wahl. Der Triumph in Bremen dürfte zu großen Teilen das Verdienst von Spitzenkandidatin Lencke Steiner sein. Der Wahlkampf der Bremer FDP war ganz auf die 29-jährige parteilose Unternehmerin zugeschnitten.

Mit Kandidatinnen wie ihr oder der Hamburgerin Katja Suding will Parteichef Christian Lindner die FDP jünger, weiblicher und sympathischer machen. Suding und Steiner gelingt es, wirtschaftsliberale Positionen zu vertreten, ohne kalt und abgehoben zu wirken. Diese Taktik geht zumindest in den Großstädten Hamburg und Bremen auf. Ob eine ähnliche Strategie auch in den Flächenländern funktionieren kann, müssen die kommenden Wahlen zeigen.

Die AfD muss zittern

Einzug der AfD noch unklar

Es wird knapp für die Alternative für Deutschland in Bremen. Schafft sie die den Einzug in die Bürgerschaft? Erste Prognosen sehen die Rechtspopulisten bei 5,0 bis 5,2 Prozent und damit auf der Kippe. In der Öffentlichkeit steht die AfD momentan nicht gut da. Vordergründig ringen ihr wirtschaftsliberaler Flügel um Parteichef Bernd Lucke und der rechtskonservative Flügel um die Co-Vorsitzende Frauke Petry um die Macht, doch auch abseits davon gibt es viel Streit. Für Lucke ist die Bremer Wahl deshalb wichtig, weil er den mächtigen ostdeutschen Landesverbänden etwas entgegensetzen muss.

Der Bremer Spitzenkandidat Christian Schäfer gilt als Anhänger Luckes, er tritt im Vergleich zu den Pegida-Freunden in seiner Partei eher gemäßigt auf. Neben den bundesweiten Streitereien könnte der AfD allerdings eine Bremer Besonderheit zum Verhängnis werden: Es gibt dort bereits seit 2004 die Wählervereinigung "Bürger in Wut", die rechts von der CDU ähnliche Themen wie die islam- und einwanderungskritische AfD besetzt und ihr daher Stimmen abnehmen könnte.

Die Linke gewinnt deutlich hinzu

Mit 9,5 bis 10 Prozent der Stimmen zieht die Linkspartei in die Bremer Bürgerschaft ein. Das ist eine deutliche Verbesserung zu 2011, als sie 5,6 Prozent der Stimmen erhielt. Spitzenkandidatin Kristina Vogt hat daran einen großen Anteil. Die Linke in Bremen war lange zerstritten, die 49-jährige alleinerziehende Mutter brachte Frieden in die Partei. Sie gilt als pragmatisch und kompromissbereit. Für die Bremer SPD sind die Grünen allerdings trotzdem der angenehmere Partner, weswegen die Linke vermutlich in der Opposition bleiben wird.

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