Bürgerschaft - Hamburg:Bürgerschaft debattiert über Wahlausgang: Kritik an Scholz

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Blick in den Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft. Foto: Daniel Reinhardt/dpa (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Drei Tage nach der Bundestagswahl haben sich die rot-grünen Regierungsfraktionen und die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft eine kontroverse Debatte zum Wahlausgang geliefert. Eine Mehrheit in Deutschland habe gezeigt, dass sie keine weitere Regierung unter Unionsführung wolle, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf am Mittwoch in der Aktuellen Stunde. Die CDU sei weder regierungs- noch verhandlungsfähig.

Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen kam zu demselben Schluss: "Die Union gehört in die Opposition." Damit ging er auf Abstand zur Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die Gespräche mit der CDU am Vortag beim Grünen-Landesausschuss ausdrücklich nicht ausgeschlossen hatte.

Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Anke Frieling räumte ein, dass die CDU im Bund und in Hamburg jeweils ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren habe. Sie wies aber die Empörung zurück, dass CDU-Chef Armin Laschet dennoch die Bildung einer Koalition erwäge. "Dazu kann ich nur sagen: Es gibt gute Beispiele aus Ihrer eigenen Geschichte - zuletzt in Bremen." Dort regiert ein rot-rot-grüner Senat, obwohl die CDU bei der Wahl 2019 die meisten Stimmen erhalten hatte.

Im Wahlkampf sei es darum gegangen, wem die Menschen das Kanzleramt zutrauen, sagte Kienscherf. "Und da war die Wahl ganz eindeutig: Die Bürgerinen und Bürger trauen Olaf Scholz zu, eine Koalition zum Wohle diese Landes zu führen."

Er habe ebenfalls die Wahlergebnisse genau studiert und komme zu dem Schluss, "die CDU hat die Wahl verloren", sagte der Grüne Lorenzen. Auch seine Partei sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Was Deutschland jetzt aber dringend brauche, "ist eine Regierung mit einem klaren öko-sozialen Profil". Und mit dieser Regierung "meine ich natürliche einen Kern aus Sozialdemokraten und Grünen". Dazu könnte dann noch "eine liberale Komponente" kommen.

Linksfraktionschefin Sabine Boeddinghaus stellte SPD und Grünen angesichts von Klimaschutzplänen, sozialem Zusammenhalt und Vermögenssteuer die Frage: "Mit wem wollen sie denn jetzt regieren? Mit einer FDP, die auf den freien Markt und die schwarze Null schwört?" Die Wahlniederlage der Linken, die nur aufgrund von Direktmandaten noch den Sprung in den Bundestag geschafft hat, sei "sehr bitter". Die Linke werde aber weiter ihre Aufgabe "als soziales Gewissen" in der Opposition wahrnehmen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann konstatierte, 85 Prozent der Wähler hätten den rot-grün-roten "ökosozialistischen Traum" platzen lassen. "Und das ist auch gut so. Die Mehrheit will nicht, dass Deutschland zu einem grünen Versuchslabor wird."

Statt rot-rot-grünen "Enteignungswellen und Steuererhöhungsorgien" würden "technologieoffene Liberale nun mit klimabewegten Grünen über einen Neuaufbruch für eine bürgerliche Politik" reden, "die die Ökologie mehr in den Blick nimmt, ohne die Ökonomie zu schädigen", sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. "Danach werden wir sehen, wer zu diesem Aufbruch für Deutschland als Dritter passt."

CDU und AfD nutzten die am Vortag bekanntgewordenen Ermittlungen gegen Hamburger SPD-Politiker im Zusammenhang mit dem "Cum-Ex"-Skandal auch für eine scharfe Attacke gegen Kanzlerkandidat Scholz. Der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft Köln gegen den früheren Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und den ehemaligen Innensenator Alfons Pawelczyk belegten, dass der Versuch der SPD, eine Einflussnahme auf die Besteuerungen der in den "Cum-Ex"-Skandal verwickelten Warburg Bank zurückzuweisen, "endgültig gescheitert ist", sagte Frieling.

Auf die Ermahnung der Bürgerschaftspräsidentin, dass sie sich vom Thema der Debatte in der Aktuellen Stunde entferne, entgegnete Frieling: "Es war das aktuellste Thema, das ich zu Olaf Scholz finden konnte." Die AfD hieb in dieselbe Kerbe: Deutschland brauche keinen Bundeskanzler, "der ständig vom Bundeskanzleramt in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss muss", sagte Fraktionschef Dirk Nockemann. "Olaf Scholz hat keine moralische Legitimität, Kanzler zu werden."

In Hamburg klärt derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Vorwurf einer Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank. Hintergrund sind Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz 2016 und 2017 mit den Miteigentümern der Bank, Max Warburg und Christian Olearius.

Nach den ersten Treffen hatte das Finanzamt für Großunternehmen 2016 mit Ablauf der Verjährungsfrist zunächst auf Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert. Scholz hat im Ausschuss jede Einflussnahme bestritten.

© dpa-infocom, dpa:210928-99-400658/3

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