Süddeutsche Zeitung

Bürgermeisterwahl: Rahm Emanuel:Der neue König von Chicago

Bill Clinton, Regisseur Steven Spielberg und Apple-Chef Steve Jobs: Rahm Emanuel hatte viele prominente Befürworter - und die Unterstützung hat sich gelohnt. Nun wird der einst wichtigste Berater von US-Präsident Obama Bürgermeister von Chicago.

Reymer Klüver

Jetzt ist Rahm Emanuel also dort angelangt, wohin es ihn immer gezogen hat. Jedenfalls wenn man der Legende Glauben schenken soll, an der der Sohn eines jüdischen Einwanderers kräftig selbst gestrickt hat: Er wird als neuer Bürgermeister ins Rathaus seiner Heimatstadt Chicago einziehen.

Ein mächtiges Amt ist es, dessen Bedeutung sich nur mit dem der Vormänner der Millionen-Metropolen New York und Los Angeles messen lassen muss. Doch sein Vorgänger, der im Mai nach 22 Jahren aus dem Amt scheidende Richard Daley galt unumstritten als König der Bürgermeister Amerikas.

Nichts weniger ist von Emanuel zu erwarten, als dass er bald die Nachfolge auch bei diesem Titel für sich beanspruchen wird. Gleich im ersten Anlauf hat der 51 Jahre alte Politiker es geschafft, der mit unbändiger Tatkraft und noch größerem Willen bei den Demokraten als Mann fürs Grobe Karriere gemacht hatte und doch stets politische Filigranarbeit leistete - zuletzt zwei Jahre lang als rechte Hand Präsident Barack Obamas im Weißen Haus.

Buchmacher erwarteten Stichwahl

Sein Sieg gleich im ersten Wahlgang war eigentlich nicht zu erwarten, angesichts der zu Grabenkämpfen neigenden demokratischen Politikszene Chicagos (Republikaner haben hier ohnehin keine Chance). Nicht weniger als sechs Kandidaten machten sich Hoffnungen. Und so hatten die politischen Buchmacher darauf gesetzt, dass Emanuel sich einer Stichwahl würde stellen müssen - entweder gegen die schwarze Kandidatin, die ehemalige Senatorin Carol Meseley Braun (eine Vorgängerin Barack Obamas), oder gegen den Anwalt Gery Chico, der auf die Unterstützung der großen Latino-Minderheit (fast 28 Prozent der Bevölkerung) setzte.

Doch Emanuel hat derlei Chicagoer Wahrscheinlichkeitsrechnungen über den Haufen geworfen und auf Anhieb am Dienstag 55 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt - und das ganz einfach, weil er der politischen Strategie absolut treu blieb, die ihm zum Erfolg verholfen hatte, seitdem er vor zwei Jahrzehnten, selbst kaum älter als 30, zu einem engen Berater des damaligen Präsidenten Bill Clinton aufstieg.

Nur in einem, indes nicht unerheblichen Punkt, hat er sich geändert, zumindest für die Zeit des Wahlkampfs. Der Mann, dessen burschikose, weder Freund noch Feind schonende Art ihm den Spitznamen Rahmbo eingetragen hatte, bewies geradezu ein Übermaß an Zurückhaltung. Kein Schimpfwort (für die er berüchtigt ist) drang in der Öffentlichkeit aus seinem sonst so losen Mundwerk.

Geradezu engelsgleiche Geduld bewies der Rastlose selbst in den Anhörungen der Chicagoer Wahlkommission, die stundenlang die Frage erörterte, ob er trotz seiner zwei Jahre als Stabschef im Washingtoner Weißen Haus noch als Chicagoer und damit überhaupt als wahlfähig gelten könne. Am Ende dann entschied das Oberste Gericht des Bundesstaats Illinois im Sinne Emanuels.

Verbindung zu den Reichen und Mächtigen

Doch ansonsten war er ganz der alte. Den Fleiß, die Hartnäckigkeit und die Professionalität, mit der er als Chicagoer Kongressabgeordneter und Vorsitzender des Wahlkampf-Komitees der Demokraten im US-Repräsentantenhaus den überwältigenden Sieg der Demokraten bei der Kongresswahl 2006 organisierte, bewies er nun auch im Kampf um das Rathaus von Chicago.

Mit enormer Ausdauer trotzte er dem eisigen Winter, schüttelte Tausenden an U-Bahnstationen und Fabriktoren die Hand. Die New York Times hat Buch geführt: An mehr als 100 U-Bahnstationen stand er, an 229 Bushaltestationen und vor 20 Schulen. Kein Tag verging ohne Wahlkampfveranstaltung. Innerhalb von drei Monaten nach Ankündigung seiner Kandidatur Ende September hatte Emanuel bereits zwölf Millionen Dollar an Wahlkampfspenden angehäuft - so viel haben seine fünf Konkurrenten nicht einmal zusammengenommen gesammelt.

Regisseur Steven Spielberg, Apple-Chef Steve Jobs und der in Chicago bekannte Milliardär und Hedgefonds-Manager Ken Griffin zählen zu seinen Unterstützern - und vor allem natürlich seine ehemaligen Chefs im Weißen Haus, Bill Clinton und Barack Obama. Beide haben sie Wahlkampfspots für Emanuel aufgenommen.

Das dürfte am Ende die Wähler seiner Heimatstadt überzeugt haben: Über derartige Verbindungen zu den Mächtigen und Reichen der Nation verfügte keiner seiner Konkurrenten. Und wenn er nun die Energie, die er bislang in seinem politischen Leben bewiesen hat, auch in seinem neuen Job zeigt, kann es für Chicago eigentlich nur von Vorteil sein.

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