Bürgermeisterneuwahl in Istanbul:"Die Rückkehr der Demokratie"

Viele deutsche Politiker sehen in der Wahl des Oppositionskandidaten einen Sieg der Demokratie. In die Reaktionen mischt sich Genugtuung.

Das offizielle Wahlergebnis soll zwar erst am diesem Montag verkündet werden, doch diesmal zweifelt den Sieg des Oppositonspolitikers Ekrem İmamoğlu niemand mehr an. Noch nicht mal der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Er gratuliert İmamoğlu auf Twitter: "Der nationale Wille hat sich heute einmal mehr gezeigt. Ich gratuliere Ekrem İmamoğlu, der nach inoffiziellen Ergebnissen die Wahl gewonnen hat", sagte er.

Viele deutsche Politiker feierten den Sieg des CHP-Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul als einen Sieg der Demokratie.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte auf Türkisch und Deutsch: "Neuauszählung, Wiederholung, Gleichschaltung der Presse, Verhaftungen, Einschüchterungen, aus Verzweiflung sogar mit der letzten Karte Öcalan! Nichts hat geholfen: Die AKP muss ihre Niederlage einräumen." Wenige Tage vor der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul soll der inhaftierte Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK Öcalan die Kurden angeblich zur Neutralität aufgerufen haben. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte in der Nacht Fotos eines entsprechenden Briefes.

Auch seine Parteikollegin Katrin Göring-Eckardt freut sich "mit den demokratischen Kräften in der Türkei." Sie schrieb weiter: "Das ist ein Hoffnungszeichen. Erdoğans Macht hat ihren Zenit überschritten."

Der kommissarische Parteivorsitzende der SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, gratulierte ebenfalls auf Türkisch und Deutsch und schrieb auf Twitter: "Das Ergebnis möge der ganzen Türkei Segen bringen."

Der von der Türkei wegen Terrorpropaganda angeklagte Journalist Deniz Yücel schrieb: "It's over, Mr. President."

Und die ebenfalls in der Vergangenheit in der Türkei inhaftierte Journalistin Meşale Tolu twitterte: "Das ist die beste Antwort des Volkes auf Repression, Festnahme, Zensur, Verbot, Einschränkung, Willkür, Verleumdung, Vernichtung, Korruption und Missachtung."

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, schrieb: "Das ist der Anfang vom Ende der Ära Erdoğan und die Rückkehr der Demokratie."

Die Neuwahl um das Bürgermeisteramt in Istanbul war notwendig geworden, weil die Wahlkommission das Ergebnis der Ende März bereits schon einmal abgehaltenen Bürgermeisterwahl annuliert hatte. Sie gab damit einem Antrag von Erdoğans AKP statt, die die Gültigkeit der Wahl wegen angeblicher Rechtswidrigkeiten angezweifelt hatte.

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