Bürgerkrieg:Waffenstillstand für Libyen

Bürgerkrieg: Die Rückeroberung der westlibyschen Stadt Tarhouna durch Truppen der Regierung in Tripolis setzte der Offensive des Kriegsherrn Khalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis im Juni ein Ende. Nun soll die Feuerpause in einen dauerhaften Waffenstillstand überführt werden.

Die Rückeroberung der westlibyschen Stadt Tarhouna durch Truppen der Regierung in Tripolis setzte der Offensive des Kriegsherrn Khalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis im Juni ein Ende. Nun soll die Feuerpause in einen dauerhaften Waffenstillstand überführt werden.

(Foto: Mahmud Turkia/AFP)

Die Konfliktparteien verständigen sich unter Vermittlung der Vereinten Nationen. Jetzt sollen politische Gespräche den Weg zu Frieden und Stabilität ebnen, doch ob die rivalisierenden Lager dazu bereit sind, muss sich erst noch zeigen.

Von Paul-Anton Krüger, München

Die Konfliktparteien im Bürgerkrieg in Libyen haben sich unter Vermittlung der Vereinten Nationen auf eine sofortige landesweite und dauerhafte Waffenruhe verständigt. Das gab am Freitag in Genf die amtierende UN-Sondergesandte Stephanie Williams bekannt, nachdem Vertreter der international anerkannten Übergangsregierung von Premier Fayez al-Serraj und des abtrünnigen Kriegsherrn Khalifa Haftar nach fünftägigen Verhandlungen eine Vereinbarung unterzeichnet hatten.

Williams sprach von einer "historischen Leistung" und einem "wichtigen Wendepunkt hin zu Frieden und Stabilität in Libyen". Zugleich sagte sie, es liege noch "eine Menge Arbeit in den kommenden Tagen und Wochen" vor den Konfliktparteien, um die Verpflichtungen aus dem Abkommen umzusetzen.

Die ausländischen Söldner sollen abziehen

Es wandelt die bisherige temporäre Waffenruhe in einen dauerhaften Waffenstillstand um. Eine gemeinsame Polizeitruppe soll Gebiete sichern, aus denen Truppen abgezogen werden. Zudem sollen binnen drei Monaten alle ausländischen Kämpfer Libyen verlassen und die Hilfe bei der militärischen Ausbildung durch ausländische Staaten eingefroren werden.

Während auf Haftars Seite mehrere Tausend Mann des eng mit dem Kreml verbundenen russischen Militärdienstleisters Gruppe Wagner kämpfen und Zehntausende Söldner aus dem Sudan, Tschad und anderen afrikanischen Staaten, setzt die Regierung in Tripolis Tausende von der Türkei rekrutierte syrische Milizionäre ein.

Bürgerkrieg: Handschlag trotz Corona: die Vorsitzenden der beiden Militärdelegationen, A. Amhimmid Mohamed Alamami (links) auf Seiten Haftars und Ahmed Ali Abushahma als Vertreter der Regierung in Tripolis besiegeln das Abkommen, das die amtierende UN-Sondergesandte Stephanie Williams vermittelt hat.

Handschlag trotz Corona: die Vorsitzenden der beiden Militärdelegationen, A. Amhimmid Mohamed Alamami (links) auf Seiten Haftars und Ahmed Ali Abushahma als Vertreter der Regierung in Tripolis besiegeln das Abkommen, das die amtierende UN-Sondergesandte Stephanie Williams vermittelt hat.

(Foto: Violaine Martin/AFP)

Zuvor hatten sich die Militärdelegationen der beiden Seiten bereits darauf verständigt, die Ölexporte wieder hochzufahren, die mit Haftar verbündete Stammesmilizen monatelang blockiert hatten; sie sind für beide Seiten die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. Zudem wurde vereinbart, die Überlandstraßen in dem de facto geteilten Land und auch den Luftraum wieder zu öffnen. Am Freitag gab es auch einen ersten Inlandsflug von der Hauptstadt Tripolis nach Bengasi, der zweitgrößten Stadt des Landes und dem Sitz Haftars.

Proteste der Bevölkerung entfalten Druck auf die Kontrahenten

Im November sollen nun politische Gespräche in Tunis folgen, um einen Fahrplan für Wahlen zu vereinbaren, die Zusammenführung der zersplitterten politischen Institutionen und der Sicherheitsorgane. Das dürfte wesentlich schwieriger werden, schon weil Haftar bislang jede Aufteilung der Macht abgelehnt hat. Unterstützt von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten hatte er eine Militäroffensive auf Tripolis gestartet, um die Macht im ganzen Land zu übernehmen.

Das löste eine Intervention des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan aus, die es der Regierung in Tripolis im Juni erlaubte, Haftars Truppen zurückzudrängen. Erdoğan sagte am Freitag, er hoffe, dass der Waffenstillstand halten werde, aber das scheine nicht erreichbar zu sein. Haftar äußerte sich nicht persönlich, Diplomaten gehen aber davon aus, dass seine Delegation das Abkommen mit ihm abgestimmt hat. Zudem verweisen sie auf Proteste der Bevölkerung, die den politischen Druck für eine Einigung zwischen den libyschen Kontrahenten deutlich erhöht habe.

Berlin sieht das Abkommen auch als späte Frucht eigener Bemühungen

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, das Abkommen sei "seit Langem der erste Lichtblick" und verspreche einen Kurswechsel von der militärischen zur politischen Logik. Jetzt müssten die Vertreter des politischen Dialogs ebenfalls mutig und konstruktiv aufeinander zugehen. Er verwies darauf, dass die bei der von Kanzlerin Angela Merkel im Januar in Berlin ausgerichteten Libyen-Konferenz vereinbarten innerlibyschen Gesprächsformate nun einen ersten, entscheidenden Erfolg gezeitigt hätten. Maas rief alle ausländischen Mächte auf, jede weitere Einmischung in Libyen zu unterlassen - sie waren treibende Kräfte der militärischen Eskalation gewesen.

Der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik zeigte sich zurückhaltend: Der Text sei recht vage, eher ein Abkommen, um die Arrangements im Detail auszuhandeln. Der vereinbarte Abzug der ausländischen Kämpfer erscheine wenig realistisch. Er wertete das Abkommen eher als "symbolischen Schritt, der den politischen Gesprächen Dynamik einhauchen soll".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: