Bürgerkrieg und Flüchtlinge:Außenminister Gabriel besucht überraschend Libyen

Außenminister Gabriel reist nach Libyen

Sigmar Gabriel (SPD) mit dem lybischen Außenminister Mohamed Taha Siala in Tripolis.

(Foto: dpa)
  • Bundesaußenminister Gabriel (SPD) stattet Libyen überraschend einen Besuch ab, der aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt wurde.
  • In Tripolis sagt er dem UNHCR zusätzliche 3,5 Millionen Euro zur Verbesserung der Lage in den Flüchtlingslagern zu.
  • Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind mehr als 60 000 Flüchtlinge über Libyen nach Europa gekommen.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) ist überraschend zu einem Besuch in Libyen eingetroffen. Bei seiner Ankunft in Tripolis sagte er dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR zusätzliche 3,5 Millionen Euro bis 2018 zu. Das Geld soll helfen, die Bedingungen in den Flüchtlingslagern zu verbessern.

Von Libyen aus gelangt der größte Teil der Flüchtlinge aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa. Bislang hat die EU ein Budget von 100 Millionen Euro bereitgestellt, mit dem Flüchtlinge in Afrika geschützt und zur Rückkehr in ihre Heimatländer bewogen werden sollen. Davon trägt Deutschland bislang 45 Millionen. Das UNHCR habee jedoch dringend weitere Mittel angemahnt, sagte Gabriel.

Der Besuch des Außenministers in dem Bürgerkriegsland war aus Sicherheitsgründen nicht vorab angekündigt worden.

"Unser Ziel ist es, uns - gemeinsam mit den Libyern - gegen den Sog der Instabilität zu stemmen", sagte Gabriel nach seiner Ankunft in der Hauptstadt Tripolis. Die Konfliktparteien des libyschen Bürgerkriegs rief er zu Gesprächs- und Kompromissbereitschaft auf. "Nur dann besteht eine Chance auf eine Beruhigung der Kampfhandlungen und - mittelfristig - auf Ordnung und Staatlichkeit."

Zwei Regierungen und der IS kämpfen um die Macht

In Libyen herrscht Bürgerkriegschaos seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Herbst 2011. Zwei Regierungen reklamieren die Macht in dem nordafrikanischen Wüstenstaat für sich, jene von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch wird von den Vereinten Nationen unterstützt. Ihre Kontrolle beschränkt sich jedoch auf wenig mehr als die Hauptstadt Tripolis. In Baida im Osten Libyens hat die Gegenregierung ihren Sitz, die mit dem einflussreichen Rebellenkommandeur Chalifa Haftar verbündet ist.

Auch Milizen des sogenannten Islamischen Staates kämpfen in Libyen; von hier aus verübten sie erst im Mai einen Anschlag auf koptische Christen in Ägypten, bei dem etwa 30 Menschen starben.

"Wie unter einem Brennglas sehen wir in Libyen die gewaltigen politischen, humanitären und sicherheitspolitischen Folgen der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten", sagte Gabriel. "Flucht, Vertreibung und Migration auf der anderen Seite sind eine Folge, die uns unmittelbar betrifft."

Der Außenminister rief "die tief zerstrittenen Kräfte Libyens" auf, "Kompromissbereitschaft zu beweisen und endlich ernsthafte Gespräche darüber zu beginnen", wie das von den Vereinten Nationen vermittelte Abkommen von 2015 umgesetzt werden könne. Gabriel sagte, er blicke dabei auf die Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch. "Konkrete Fortschritte sind dringend notwendig - ob beim Aufbau professioneller zentralstaatlicher Sicherheitskräfte oder im Wirtschaftsbereich." Zugleich forderte er auch die Gegenregierung in Baida und Chalifa Haftar auf, sich dem Dialog nicht zu verweigern.

Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind mehr als 60 000 Flüchtlinge über Libyen nach Europa gekommen - 26 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Etwa 1700 Menschen kamen von Januar bis Mai auf der Flucht ums Leben.

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