Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Zentralafrika:Vereinte Nationen warnen vor Völkermord

Tausende Menschen sollen bereits getötet worden sein: Nach einer Einschätzung der UN droht Zentralafrika eine Welle der Gewalt. Sie erinnere an die Konflikte in Ruanda oder Bosnien.

Die UNO hat vor einem "Völkermord" in der Zentralafrikanischen Republik gewarnt. Die Verhältnisse im Land wiesen "alle Elemente" von Gewalt auf, wie sie früher in den Konflikten in Ruanda oder Bosnien anzutreffen waren, sagte der UN-Beauftragte für humanitäre Einsätze, John Ging, in Genf. Er forderte ein breites internationales Engagement mit militärischen und humanitären Komponenten, um Zentralafrika zu stabilisieren.

"Ständig werden Gräueltaten verübt", sagte Ging nach einem fünftägigen Aufenthalt im Land. Die einzelnen Volksgruppen hätten "Angst vor den anderen". Nach Gings Einschätzung ist das Land kaum noch mehr als ein Gebiet auf der Landkarte, ohne die Infrastruktur eines Staates. Polizei und Armee hätten sich aufgelöst und es den 1600 französischen und 4000 Soldaten der Afrikanischen Union überlassen, die Gewalt im Zaum zu halten.

Tags zuvor hatte Frankreichs UN-Botschafter erklärt, die Feindesligkeiten zwischen Muslimen und Christenseien unterschätzt worden. Dies habe eine Situation geschaffen, in der es für die französischen und afrikanischen Truppen fast unmöglich sei, die Gewalt einzudämmen.

Viele Bürger in der Zentralafrikanischen Republik sehen die Ursachen des Konflikts jedoch nicht in erster Linie in der Religion, zumal Christen und Muslime viele Jahre friedlich zusammengelebt haben. Sie machen die politischen Auseinandersetzungen um die Macht und Kontrolle der Bodenschätze des Landes verantwortlich. Außerdem die Spaltungen der Volksgruppen. Verschärft worden sei die Situation durch den Einfluss des Auslandes.

Gewalt zwischen muslimischen und christlichen Milizen

Ruanda entsandte am Donnerstag ein Kontingent von 850 Soldaten nach Zentralafrika, um den afrikanischen Truppeneinsatz zu unterstützen. Mit den Soldaten aus Ruanda wurde die Truppe auf 5250 Mann aufgestockt, die Zielgröße für die Operation sind 6000 Soldaten.

Neben den Soldaten der afrikanischen Truppe namens MISCA, zu der auch Kontingente aus Burundi, Kamerun, dem Kongo, der Demokratischen Republik Kongo, Gabun, Tschad und Äquatorial-Guinea gehören, gibt es eine französische Eingreiftruppe mit 1600 Soldaten. Estland erklärte sich im Zuge eines künftigen EU-Militäreinsatzes bereit, 55 Soldaten zu schicken.

Das multikonfessionelle Land im Herzen Afrikas war nach der Absetzung von Präsident François Bozizé im März 2013 durch das Rebellenbündnis Séléka in eine Spirale der Gewalt zwischen muslimischen und christlichen Milizen geraten.

Allein bei Kämpfen der vergangenen Wochen wurden mehr als tausend Menschen getötet, hunderttausende Menschen flohen vor der Gewalt. Auch zehntausende Immigranten aus dem Tschad verließen das Land.

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