Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Syrien:Viele Tote bei mutmaßlichem Chemiewaffenangriff

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Neue Eskalationsstufe oder Propaganda? Die Kriegsparteien in Syrien haben sich gegenseitig eines Chemiewaffenangriffs mit vielen Toten bezichtigt. In Berichten war von rosa-farbenem Rauch und Chlorgeruch die Rede. Ein Medienbericht spekuliert über einen Angriff mit Pestiziden.

Im syrischen Bürgerkrieg hat die Gewalt möglicherweise eine neue Stufe erreicht. Regierung und Aufständische warfen sich am Dienstag gegenseitig vor, bei einem Raketenangriff nahe Aleppo Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Einer der Opposition nahestehenden Beobachtungsstelle kamen bei einem Raketenangriff 26 Menschen ums Leben, darunter mindestens 16 Soldaten. Die Rebellen machten Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad verantwortlich: "Wir glauben, dass sie eine Scud(-Rakete) mit chemischen Stoffen abgefeuert haben", sagte ein hochrangiger Aufständischer in Aleppo. "Die Rebellen stecken nicht hinter dem Angriff."

Assads Informationsminister Omran al-Soabi erklärte hingegen, Aufständische hätten vom Bezirk Nairab in Aleppo aus eine mit chemischen Kampfstoffen bestückte Rakete abgefeuert. Die syrischen Streitkräfte würden niemals international verbotene Waffen einsetzen, selbst wenn sie über solche verfügten, wurde er im Staatsfernsehen zitiert. Offiziell hat Syrien nicht bestätigt, dass es Chemiewaffen hat. Soabi sprach von 16 Toten und 86 Verletzten.

Augenzeugen berichteten von Opfern mit Atemnot, es gab Berichte über Chlorgeruch und rosa-farbenen Rauch in den Straßen. Eine Bestätigung für einen Chemiewaffen-Einsatz gab es weder von westlicher Seite noch von internationalen Organisationen. Russland stützte die Darstellung der syrischen Regierung. Es wäre der erste Einsatz von Chemiewaffen in dem seit zwei Jahren andauernden Konflikt.

Einem Bericht des Senders al-Dschasira zufolge könnten die Menschen einem Angriff mit Pestiziden zum Opfer gefallen sein. Einige "sprachen von einem stechenden Geruch. Chemiewaffen sind normalerweise geruchlos", sagte der Mediziner Siad Haddad dem Sender in Aleppo. Nach Haddads Angaben seien Betroffene nach akuten Atembeschwerden gestorben, darunter Armeesoldaten und regierungstreue Milizen. Ein Einsatz von Nervengas hätte nach Haddads Einschätzung deutlich mehr Menschen getötet.

Ein weiterer Chemiewaffenangriff?

In der Hauptstadt Damaskus veröffentlichten Oppositionelle Videoaufnahmen von Opfern eines weiteren angeblichen Chemiewaffenangriffs. Die Aufnahmen zeigten, wie Männer und Jungen in einem Gesundheitszentrum mit Sauerstoff versorgt wurden. Der Angriff habe in dem östlich von Damaskus gelegenen Otaiba stattgefunden, hieß es.

Eine Sprecherin des britischen Außenministeriums erklärte, der "Einsatz oder die Verbreitung von Chemiewaffen würde eine entschlossene Reaktion der Staatengemeinschaft erfordern". Großbritannien wäre gezwungen, seinen bisherigen Ansatz in der Syrien-Frage zu überprüfen. Großbritannien und Frankreich machen sich für Waffenlieferungen an die Rebellen stark, stoßen damit aber bei ihren EU-Partnern noch auf Widerstand. Die USA haben Präsident Assad bereits mehrfach vor einem Einsatz von Chemiewaffen gewarnt - dadurch würde eine rote Linie überschritten.

Zudem ist die Sorge laut geworden, die Kampfstoffe könnten in die Hände radikaler Gruppen geraten. In Syrien sollen etwa 1000 Tonnen chemische Kampfstoffe lagern, darunter Sarin, Senfgas und VX.

Deutsche Patriots können Chemiewaffen abwehren

Aleppo liegt nahe der Grenze zur Türkei. In der türkischen Stadt Kahramanmaras sind auf Bitten der Regierung in Ankara etwa 300 deutsche Soldaten mit zwei Raketenabwehr-Batterien stationiert. Sie sollen das Nato-Land vor Angriffen aus Syrien schützen.

Deutschland, die USA und die Niederlande verfügen als einzige Nato-Staaten über eine Version der Patriot-Abfangrakete, die speziell auf die Abwehr von Chemiewaffen ausgelegt ist.

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