Bürgerkrieg in Syrien:Übergelaufener General will Opposition einigen

Der übergelaufene General Manaf Tlass will die zersplitterte und zerstrittene Opposition Syriens einigen und bemüht sich um die Unterstützung anderer Länder. Währenddessen bleibt die Wirtschaftsmetropole Aleppo hart umkämpft.

Ein übergelaufener General will die zersplitterte und zerstrittene Opposition Syriens einigen. Brigadegeneral Manaf Tlass ist nach eigener Aussage mit Regierungsgegnern innerhalb und außerhalb des Landes mit dem Ziel eines Machtwechsels im Gespräch. Er bemühe sich außerdem um Unterstützung Saudi-Arabiens und anderer Länder, sagte der einst mit Präsident Baschar al-Assad befreundete Offizier in einem Zeitungsinterview.

General Manaf Tlass

Der übergelaufene General Manaf Tlass will die zersplitterte und zerstrittene Opposition Syriens einigen.

(Foto: AFP)

"Ich bin bereit zur Zusammenarbeit mit jeder ehrenwerten Person, die Syrien wiederaufbauen will - sei es im Nationalrat, sei es in der Freien Syrischen Armee", sagte Tlass der saudiarabischen Zeitung Aschark al-Awsat. Der Sunnit gehörte zum zumeist aus Alawiten bestehenden inneren Zirkel um den Staatschef. Der zur Republikanischen Garde zählende hohe Offizier war Anfang Juli außer Landes gegangen.

Er sehe seine Rolle nicht darin, Syrien für eine Übergangsperiode zu führen, wandte sich Tlass gegen entsprechende Spekulationen. Die Möglichkeit, Assad durch Kräfte im Inneren zu stürzen, schätzte er als gering ein. "System und Struktur des Regimes machen einen Putsch sehr schwierig." Allerdings habe Assad in Syrien keine Zukunft.

Kampf um Aleppo

Armee und Rebellen gleichermaßen bereiteten sich währenddessen für den Kampf um die Wirtschaftsmetropole Aleppo vor. Mindestens 2000 syrische Soldaten wurden Rebellenangaben zufolge dorthin in Marsch gesetzt. "Die Schlacht wird entscheidend sein und die Rebellen sind bereit dafür", sagte ein Kommandeur der oppositionellen Freien Syrischen Armee zu den bevorstehenden Kämpfen. Nach Angaben von Aktivisten sollen sich Rebellen aus dem ganzen Land auf den Weg gemacht haben, um für die "Befreiung Aleppos" zu kämpfen.

Der Opposition zufolge nahmen Regierungstruppen am Donnerstag erneut mehrere Viertel der Millionenstadt unter Beschuss. Die Rebellen gehen davon aus, dass die Angriffe der Vorbereitung einer Operation von Bodentruppen dienen. In der vergangenen Woche hatten regierungstreue Kräfte eine ähnliche Taktik in der Hauptstadt Damaskus angewandt. Nach dem Bombardement war dort eine große Anzahl von Bodentruppen gegen Aufständische zum Einsatz gekommen.

Ein Aktivist sagte der Nachrichtenagentur AP, dass der Beschuss wahllos erscheine, sich aber die Kämpfe auf wichtige Stadtteile im Zentrum der Stadt ausgedehnt hätten. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet unter Berufung auf einen Rebellenkommandeur von massiven Angriffen der Regierungstruppen, die die Aufständischen abgewehrt hätten. Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben nicht überprüfen, weil Medien in Syrien nur äußerst eingeschränkt arbeiten können.

Zahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern wächst

Wegen der eskalierenden Gewalt schloss die Türkei weitgehend ihre Grenze zu Syrien für den Personen- und Güterverkehr. Für Flüchtlinge seien die Grenzen aber nach wie vor offen. In den Nachbarländern steigt die Zahl der syrischen Flüchtlinge. Mehr als 120.000 sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Jordanien, im Libanon, in der Türkei und im Irak registriert. Zusätzlich gebe es eine große Dunkelziffer. Viele seien auf humanitäre Hilfe und auf Spenden angewiesen. Drei Viertel von ihnen seien Frauen und Kinder.

Syriens Nachbarland Jordanien, in das sich derzeit täglich 1000 Syrer retten, richtet eine Zeltstadt für 130.000 Bewohner in der Nähe der Grenzstadt Mafrak ein. Die ersten Unterkünfte für 10.000 Menschen sollen am kommenden Montag zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung stellt Millionen Euro bereit, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Auch Schiffe der Bundeswehr könnten zum Einsatz kommen.

Ban Ki Moon fordert ein Ende des "Schlachtens"

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, das "Schlachten" in Syrien endlich zu stoppen. "Schiebt es nicht länger auf! Schließt euch zusammen! Handelt!", appellierte Ban am Mittwoch in einer Rede vor dem bosnischen Parlament in Sarajevo. Die internationale Gemeinschaft sei verpflichtet, schwere Verstöße gegen die Menschenrechte zu verhindern.

Bürgerkrieg in Syrien: In Syrien rüsten sich Armee und Rebellen für den Kampf um die Wirtschaftsmetropole Aleppo.

In Syrien rüsten sich Armee und Rebellen für den Kampf um die Wirtschaftsmetropole Aleppo.

(Foto: AFP)

Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, verurteilte erneut die "abscheuliche Gewalt" des Regimes gegen unbewaffnete Zivilisten. Es gebe glaubhafte Berichte, dass auch Panzer und Kampfflugzeuge eingesetzt würden. Die USA und ihre Partner würden weiterhin Schritte unternehmen, um das Assad-Regime zu isolieren und mit Sanktionen dessen finanzielle Basis auszutrocknen.

Das werde es für die Regierung in Damaskus immer schwieriger machen, das brutale Vorgehen gegen das eigene Volk zu finanzieren. Dass sich nach der syrischen Botschafterin in Zypern auch deren Ehemann, der Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, nach Katar abgesetzt und damit von Damaskus losgesagt habe, mache deutlich, dass "die Tage Assads gezählt sind", erklärte Carney weiter.

UN-Vollversammlung soll über Syrien abstimmen

Die arabischen Staaten wollen in der UN-Vollversammlung über eine Resolution zur Lage in Syrien abstimmen lassen. Darin soll der Aufbau einer demokratischen Regierung in dem Land gefordert werden, wie der saudiarabische UN-Botschafter Abdallah Al Muallimi und der katarische Diplomat Abdulrahman Al Hamadi während einer Sitzung des Weltsicherheitsrats am Mittwoch in New York erklärten. In der Vollversammlung gibt es keine Veto-Möglichkeit.

Der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari warf Saudi-Arabien und Katar vor, sich militärisch, finanziell und politisch in die Angelegenheiten Syriens einzumischen. Sie wollten sich außerdem gegen den Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan verschwören. Russland und China hatte in der vergangenen Woche mit ihrem Veto eine Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat verhindert. Mit der Resolution sollte die Regierung in Damaskus unter Androhung von Sanktionen gedrängt werden, die Gewalt im Land zu stoppen.

Allein am Dienstag kamen bei Kämpfen und Razzien der syrischen Regierungstruppen landesweit mehr als 160 Menschen ums Leben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Auch am Mittwoch soll es mehr als 100 Tote gegeben haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: