Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Syrien:Russisches Dilemma

Der Niedergang des IS macht sich bemerkbar, aber in Syrien geht der Krieg weiter. Assad will die Entscheidung erzwingen, doch dem Verbündeten Putin kommt das ungelegen.

Von Moritz Baumstieger und Frank Nienhuysen

Eigentlich, so hatte es Russlands Präsident Wladimir Putin geplant, sollte nun Ruhe einkehren auf den Schlachtfeldern Syriens. Keine hässlichen Bilder sollten das orthodoxe Weihnachtsfest am vorigen Sonntag stören, keine unschönen Statistiken Unruhe verbreiten vor der Präsidentschaftswahl Mitte März. Daraus wurde nichts, in fast allen Landesteilen nehmen die Kämpfe wieder zu.

Im Süden griff Israel am Dienstag ein von der Hisbollah-Miliz genutztes Waffendepot an. In der von Rebellen gehaltenen Enklave Ost-Ghouta bei Damaskus und in der Region Idlib im Norden bombardiert das Regime das eigene Volk in einer Heftigkeit, die an die Schlacht um Aleppo heranreicht, Dutzende Zivilisten starben in den vergangenen Tagen. Und in Zentralsyrien eroberte die eigentlich besiegte Terrormiliz IS elf Orte, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag meldete. Doch auch die russischen Kräfte, die Putin 2015 geschickt hatte, um Machthaber Baschar al-Assad zu stützen, werden zu Zielen.

Insgesamt 13 Drohnen seien abgeschossen worden, bevor sie Sprengkörper über der Luftwaffenbasis Khmeimim und dem Marinehafen von Tartus abwerfen konnten, schrieb Russlands Verteidigungsministerium am Montag auf seiner Facebookseite - verletzt worden sei niemand. Auf Fotos sahen die Flugkörper so aus, als seien sie in Heimarbeit gebastelt worden, doch während Militärexperten die Drohnen noch untersuchten, meinten Politiker im Föderationsrat schon Bescheid zu wissen: So macht der Vizechef des Verteidigungsausschusses, Franz Klinzewitsch, die USA für den Angriff verantwortlich. "In Syrien kann man sie nicht einfach irgendwoher nehmen, das ist eine Arbeit der Geheimdienste, die von den USA koordiniert werden", sagte er. Der Duma-Abgeordnete Jurij Schwytkin erklärte, dass der IS hinter der Attacke stecke, dies aber "nicht selbständig, sondern nur mit Hilfe westlicher Geheimdienste" schaffen könne. Das Verteidigungsministerium erklärte, ausgerechnet während des Angriffs der Terroristen sei ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug bemerkt worden.

Nach Ruhe an Syriens Fronten klingt das nicht - zumal der Angriff der zweite innerhalb kurzer Zeit ist. An Silvester warfen Angreifer mit Drohnen Sprengsätze über Khmeimim ab, erst Tage später räumte Moskau ein, dass dabei zwei russische Soldaten ums Leben kamen. Dass auch sieben Kampfflugzeuge zerstört wurden, wie die Rebellen vermeldeten, dementiert die Armee - doch die neue Verwundbarkeit ist im eigenen Land auch so nur schwer vermittelbar. Im Dezember hatte Putin bei einem Überraschungsbesuch auf eben jener Luftbasis den Sieg und den Beginn des Abzugs aus Syrien erklärt.

Der Konflikt zwischen syrischen Kurden und der Türkei könnte Putin Probleme bereiten

Die Truppenreduzierung sollte durch neue politische Initiativen abgesichert werden, Ende Januar wollte Moskau in Sotschi einer Nachkriegsordnung für Syrien näherkommen. Rebellen und Regierung sollten in dem dritten Verhandlungsformat neben den UN-Friedensgesprächen in Genf und den Astana-Konferenzen zueinanderfinden. Große Teile der Rebellen sagten die Teilnahme wegen der Angriffe des Regimes ab - die Offensive Assads auf Idlib dürfte die Konferenz nun vollends scheitern lassen: In den vergangenen Tagen eroberte die syrische Armee hier mehrere Dörfer. Eigentlich gilt Idlib als "Deeskalationszone", im Spätsommer hatte sich Moskau mit der Türkei und Iran geeinigt, den Konflikt durch solche Schutzgebiete einzufrieren. Nun versucht Assad hier, die endgültige Entscheidung zu erzwingen.

An einem ruhigen Jahresbeginn ist auch Putins türkischer Partner nicht interessiert: Am Dienstag kündigte Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine Militäroperation in der Nachbarprovinz von Idlib an: "Jetzt ist es so weit, das Projekt der separatistischen Terrororganisation vollkommen zunichte zu machen", sagte er vor Anhängern. Sollte der kalte Krieg zwischen den syrischen Kurden und der Türkei in einen heißen umschlagen, hätte nicht nur der bislang mit beiden Seiten kooperierende Putin ein Problem, sondern auch die USA. Sie sind einerseits Nato-Partner der Türkei, nutzen andererseits die von den Kurden geführten Syrischen Demokratischen Kräfte als Bodentruppen im Kampf gegen den IS.

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SZ vom 10.01.2018
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