Bürgerkrieg in Syrien:Kämpfe verhindern Arbeit der UN-Chemiewaffenexperten

Die UN haben Inspekteure nach Syrien geschickt, um den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas zu prüfen. Derzeit wäre es für die Experten jedoch zu gefährlich, in das bombardierte Gebiet zu reisen. Deshalb sind dem Team die Hände gebunden. Doch die Zeit läuft, damit ein möglicher Chemiewaffeneinsatz zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Zwar sind die Inspekteure der UN inzwischen im Land, doch ihre Arbeit beginnen können sie bisher nicht. Nach den mutmaßlichen Giftgasangriffen nahe Damaskus warten die UN-Inspekteure weiter auf eine offizielle syrische Genehmigung zur Untersuchung des Vorfalls. Regimegegner berichteten, die Regierungstruppen hätten ihre Angriffe auf Rebellenhochburgen am Stadtrand von Damaskus am Freitag mit unverminderter Härte fortgesetzt. Den Rebellen sei es gelungen, ein Vorrücken der Armee im Viertel Dschobar zu verhindern.

Die Vereinten Nationen hatten zuvor erklärt, die Chemiewaffenexperten, die sich in Syrien aufhalten, könnten die betroffenen Gebiete derzeit nicht in Augenschein nehmen. Dies wurde mit der schlechten Sicherheitslage im Umland von Damaskus begründet.

Allerdings läuft die Zeit für einen Nachweis möglicher Giftgas-Einsätze: Nach Informationen des Bio- und Chemiewaffenexperte Jan van Aken, der früher selbst für die UN als Inspekteur tätig war, müssten Mediziner Todesopfer und Überlebende untersuchen und Proben nehmen - von Gewebe, von Blut, vom Boden. Diese würden dann im Labor ausgewertet. "Entscheidend ist, dass man sicherstellt, dass niemand zwischendurch an die Proben herankommt und sie verfälschen kann. Nur dann kann die gesamte Welt das Ergebnis glauben", sagt van Aken. Generell gelte für den Einsatz der Inspekteure: "Man muss da so schnell wie möglich hin." Allerdings räumt auch van Aken ein, dass die Experten auch auf ihre eigene Sicherheit achten müssten.

Am vergangenen Mittwoch hatte es bei Angriffen der Regierungstruppen östlich und südlich von Damaskus nach Angaben der Revolutionskomitees Hunderte von Opfern gegeben. Die Opposition wirft der Armee von Präsident Baschar al-Assad vor, dort auch Giftgas eingesetzt zu haben. Eine Gruppe von Rebellenkommandeuren erklärte jetzt, die internationalen Reaktionen auf dieses Verbrechen seien nicht ausreichend.

Auseinandersetzungen innerhalb der Oppositionsgruppen

In den Reihen der Assad-Gegner gibt es neue Konflikte. Die Gruppe von Rebellenkommandeuren forderte die von Oppositionellen gegründete Nationale Syrische Allianz auf, ihre praktische Unterstützung für die kämpfenden Revolutionäre zu verstärken. Sonst werde man "die Allianz für illegal erklären".

Der Zusammenschluss der Opposition sieht sich ohnehin schon länger massiver Kritik ausgesetzt. Da es ihm bisher weder gelungen ist, in großem Stil Militärhilfe zu beschaffen noch eine politische Lösung voranzutreiben, wird er sowohl von den Rebellen unter Druck gesetzt, als auch von westlichen Diplomaten.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, Assad habe eine begrenzte Kabinettsumbildung beschlossen. Er ernannte sechs neue Minister.

Bei einem Sprengstoffanschlag in einem Restaurant in Aleppo kam nach übereinstimmenden Berichten am Donnerstagabend ein regimetreuer Fernsehjournalist ums Leben. Am Donnerstag starben bei Angriffen und Kämpfen in mehreren Regionen 180 Menschen, wie die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter mitteilte. Darunter seien auch sieben Ausländer, die auf der Seite der Regimegegner gekämpft hatten. Am Freitag zählten Regimegegner bis zum Nachmittag rund 50 Tote.

US-Präsident Obama sieht US-Interessen in Syrien berührt

In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN hat US-Präsident Barack Obama über eine mögliche Reaktion der USA auf die Giftgas-Vorwürfe gesprochen. Er sagte demnach, dass im Falle eines Chemiewaffeneinsatzes zentrale nationale Interessen der USA berührt würden. "Es geht sowohl darum, sicherzustellen, dass Massenvernichtungswaffen nicht weiter verbreitet werden, als auch darum, Verbündete und Stützpunkte in der Region zu schützen", fügte er hinzu.

Obama antwortete ausweichend auf die Frage, ob Assad eine rote Linie überschritten habe, mit den Worten, die USA müssten sich die jüngsten Ereignisse in Syrien genau anschauen. Sie müssten bei der Frage, wie mit Syrien und Ägypten umgegangen werde, auch die Kosten im Blick haben, sagte er.

"Die Vereinigten Staaten bleiben ein Land, von dem die Menschen erwarten können, dass es mehr kann als seine eigenen Grenzen zu verteidigen", betonte Obama bei CNN. "Das bedeutet aber nicht, dass wir immer sofort in jede Sache verwickelt werden müssen." Damit rückt er etwas von früheren Äußerungen ab: Obama hatte einst gesagt, dass mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen in dem Syrien-Konflikt eine rote Linie überschritten werde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: