Möglicher Militärschlag gegen Syrien:Triumphale Töne aus Damaskus

Free Syrian Army fighters hold up their weapons as they cheer after seizing Aleppo's town of Khanasir

Kämpfer der Freien Syrischen Armee

(Foto: REUTERS)

Das Assad-Regime spricht von einem "historischen amerikanischen Rückzug". Doch Armee, Dschihadisten und Bevölkerung bereiten sich weiter auf einen Militärschlag des Westens vor. Bei den Rebellen herrscht Enttäuschung - durch die Verzögerung des US-Angriffs könne "Assads Tötungsmaschine" weiter arbeiten.

Von Sonja Zekri, Kairo

In Damaskus, wo in den Tagen zuvor Panikstimmung geherrscht hatte, war man erwartungsgemäß zufrieden, dass US-Präsident Obama seine Entscheidung über einen Militärschlag verschoben hatte. Das Regime von Präsident Assad schlug nachgerade triumphale Töne an: Die Verteidigungsbereitschaft der syrischen Armee habe "die amerikanische Aggression abgewendet", verkündete Vizepremier Qadri Jamil noch am Samstag. Die staatliche Tageszeitung Al-Thaura sprach vom "Beginn des historischen amerikanischen Rückziehers", kurz, die Stimmung im Assad-Regime war denkbar aufgeräumt.

Der syrische Premierminister Wael al-Halqi hatte zuvor erklärt, die syrische Armee habe "den Finger am Abzug", um jeder Herausforderung zu begegnen. Die bewaffneten Assad-Gegner hatten dies als Drohung verstanden. Selbst ein begrenzter Militärschlag der Amerikaner, mit Kongressvotum oder ohne, könnte Assad zu Vergeltungsmaßnahmen provozieren und zwar vor allem in Syrien.

Dennoch herrschte nach der Ankündigung der Verschiebung Enttäuschung unter den Kämpfern. Sie fürchten nun, dass Assad die Zeit nutzen könnte, um die Rebellen weiter in Bedrängnis zu bringen. Die Kämpfer wollen den US-Militärschlag für eigene Offensiven nutzen. Berichten zufolge sind in den vergangenen Tagen 2500 Kämpfer über Jordanien nach Syrien eingereist.

Nun werteten Rebellenkommandeure die wohl mindestens zehntägige Verschiebung als "grünes Licht" an Assad, um sein Volk nicht nur mit chemischen Waffen, sondern auch mit konventionellen Waffen umzubringen. "Ich fühle mich betrogen", sagte eine Syrerin telefonisch aus Damaskus der Washington Post. Auch unter den Assad-Getreuen sind inzwischen viele kriegsmüde und wünschen sich ein Ende eher früher als später - und sei es durch ein Eingreifen des Westens.

Die Exil-Opposition der Syrischen Koalition in Istanbul rief die amerikanischen Kongressmitglieder auf, "Assads Tötungsmaschine" zu stoppen und "die richtige Wahl" zu treffen. Die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft habe erst jenes Gefühl der Straflosigkeit im Assad-Clan hervorgerufen, das nun zum Einsatz der Chemiewaffen geführt habe. Jeder Militärschlag müsse aber begleitet werden von einer effektiveren Bewaffnung der Freien Syrischen Armee, jener losen Dachorganisation der bewaffneten Assad-Gegner, denen die Dschihadisten allerdings nicht angehören. Tatsächlich sollen Katar und Saudi-Arabien in den vergangenen Tagen mehr Waffen geliefert haben.

Soldaten in Schlafsälen, Panzer in Wohngegenden

Die Angst vor einem Luftschlag hat die Bewaffneten beider Seiten in Bewegung gesetzt. Anwohner in Damaskus hatten berichtet, man habe Busse mit Inhaftierten gesehen, die vom Militärgefängnis zum Messeh-Militärflughafen im Südwesten der Hauptstadt gebracht wurden - eines der möglichen Ziele für einen Luftschlag. In Damaskus und Homs wiederum wurden Soldaten in die Schlafsäle von Universitäten gebracht, Panzer und Artilleriegeschütze in Wohngegenden verlegt.

Aber auch die Hardcore-Islamisten, einige offiziell verbündet mit al-Qaida, haben sich in Sicherheit gebracht, ihre Anführer besser geschützt, ihre Stützpunkte vorübergehend geräumt, Waffen und Fahrzeuge verlegt. Über das Internet empfahlen sie ihren Gesinnungsgenossen, große Konvois zu vermeiden: "Nehmt euren Kämpfern die Handys ab und bringt sie in sichere Entfernung von der Führung, um eine weitere Sicherheitsstufe einzuziehen."

Die ohnehin gewaltige Spionage-Furcht der Kämpfer hat sich durch den bevorstehenden Militärschlag offenbar noch einmal gesteigert: Berichten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zufolge, behauptet die Al-Qaida-Filiale "Nusra-Front", sie habe einen Spion dabei erwischt, der in ihren Lagern Chips anbringen wollte, um die Raketen gegen die Dschihadisten zu lenken.

Die Verzögerungen unter den westlichen Verbündeten machen die Entscheidungen der arabischen Länder für Obama umso wichtiger. Vor einem Treffen am Sonntagnachmittag in Kairo berichteten ägyptische Medien, dass die Liga eine positive Erklärung zu einem US-Militärschlag in Syrien abgeben könne. Syrien ist seit Herbst 2011 aus der Liga ausgeschlossen, Ägypten lehnt einen Militärschlag ab, ist aber durch die Krise im eigenen Land absorbiert.

Die Stunde von Saudi-Arabien und Katar

Damit schlägt die Stunde von Saudi-Arabien und Katar, den reichen Unterstützern und Finanziers der Rebellen. Sie drängen offenbar auf einen Militärschlag und sogar einen "begrenzten Krieg". Um zögernde Länder wie Ägypten, aber auch den Irak oder Algerien umzustimmen, könnten sie Formulierungen vorschlagen, die den exzessiven Gebrauch von Waffen ablehnt und die territoriale Unversehrtheit Syriens zur Priorität macht.

Während Saudi-Arabien die größere Gefahr in einem Fortbestehen der schiitischen Achse von der libanesischen Hisbollah über das schiitisch-stämmige Alawiten-Regime Assads bis zum schiitischen Iran sieht, fürchtet Ägypten mit Blick auf die Unruhen der Dschihadisten auf dem Sinai einen Aufstieg sunnitischer Radikaler in der Region - wie sie unter den Rebellen zahlreich zu finden sind.

Allerdings müssten die Mitglieder der Arabischen Liga ein tiefsitzendes Unbehagen gegen westliche Interventionen in der Region überwinden. So sehr viele Menschen das brutale Regime Assads auch ablehnen - in Ländern wie Ägypten könnte ein Militärschlag einem ohnehin verbreiteten Antiamerikanismus neue Nahrung geben.

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