Süddeutsche Zeitung

Syriens Machthaber Assad:Zwischen Terror und Stabilität

Syriens Machthaber Assad lässt Fassbomben über Wohngebieten abwerfen und Menschen in Folterkellern verschwinden. Außer der Opposition ist dennoch kaum einer am Sturz des Herrschers interessiert - schließlich sorgt er für Stabilität.

Von Tomas Avenarius

Seit Tagen fliegt die Luftwaffe von Präsident Baschar al-Assad Terrorangriffe. Hubschrauber werfen mit Sprengstoff und Nägeln gefüllte Fassbomben über Wohngebieten ab. In Aleppo starben mehr als 70 Menschen, unter ihnen 28 Kinder. Das hielt Russland als Unterstützer des syrischen Präsidenten nicht davon ab, eine Verurteilung der Bombardements durch den UN-Sicherheitsrat zu blockieren.

Der Bürgerkrieg wird so immer brutaler, in den von der Armee belagerten Stadtteilen von Damaskus hungern die Menschen, die Millionen Flüchtlinge werden von einem der härtesten Winter seit Langem im Nahen Osten gepeinigt. Jetzt stellte der UN-Menschenrechtsrat fest, dass das Assad-Regime seit Beginn des Konflikts im Frühjahr 2011 zunehmend Menschen in Gefängnissen und Folterkellern verschwinden lässt.

Der Rat bezeichnet dies als "Bürgerkriegstaktik" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Assad terrorisiere die Bürger systematisch: "Die Behörden haben ein Klima der Angst geschaffen." Im selben Atemzug wirft der UN-Rat aber auch Assads Gegnern vor, Geiseln zu nehmen sowie Menschenrechtler, Journalisten und Priester anzugreifen.

Wer außer den Rebellen ist noch am Fall des Assad-Regimes interessiert?

In diesem Klima werden dennoch Friedensgespräche vorbereitet, bei denen in der Schweiz vom 22. Januar an eine Lösung für den bald drei Jahre dauernden Bürgerkrieg gesucht wird. Diplomaten aus den USA und Russland setzten sich am Freitag in Genf mit Lakhdar Brahimi zusammen, dem Syrien-Beauftragten der UN.

Klären wollten sie, wie die Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran bei der Genf II getauften Friedenskonferenz einbezogen werden können. Bei Saudi-Arabien gab es keine Probleme, bei Iran blockten die USA. Ohne diese zwei Staaten wird sich bei den Gesprächen wenig bewegen: Teheran ist der wichtigste Verbündete Assads, die Saudis finanzieren die Rebellen. Über dem Genfer Prozess steht aber längst eine andere Frage: Wer außer den Rebellen ist noch am Fall des Assad-Regimes interessiert?

Die Regierungen im Westen denken offenbar um. Sie sehen Syrien nach einem Sieg der Aufständischen als zweites Afghanistan. Zu einer Hochburg von al-Qaida und Islamisten à la Taliban also, die im Land ein Scharia-Schreckensregime errichten und Terror gegen Europa oder die USA planen.

Oppositionelle erklärten, man habe sie beim Treffen der Freunde Syriens in London wissen lassen, dass Genf II ja nicht zu einem Ende Assads führen müsse. "Sie haben klar gemacht, dass man ihn jetzt nicht gehen lassen kann", sagte ein wichtiger Vertreter der Syrischen Nationalkoalition (SNC) der Agentur Reuters. Besonders die USA und Großbritannien vertreten angeblich diese Haltung.

Zumindest Teile von Assads Minderheitenregime, in dem die schiitische Sekte der Alawiten das Sagen hat, sollten im Interesse der Stabilität erhalten bleiben. "Einige unserer Freunde scheinen sich nicht daran zu stören, dass er nächstes Jahr bei der Präsidentenwahl wieder antreten könnte. Sie vergessen, dass er sein eigenes Volk vergast hat", sagte der Oppositionelle frustriert.

Ein Meinungsumschwung im Kreis der internationalen Assad-Gegner zeichnet sich aber seit Längerem ab. Das mithilfe Russlands und der USA ausgehandelte Abkommen zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen hat den Staatschef in Damaskus wieder halbwegs salonfähig gemacht. Bisher spielt er nach den Regeln, öffnet seine Depots.

Das Chaos in den Reihen der um die Syrische Nationalkoalition versammelten gemäßigten Opposition und die Dominanz hartleibiger Islamisten auf dem Schlachtfeld trägt das Übrige bei zu den Zweifeln. So könnte sich der Westen der Position der Unterstützer Assads annähern, Russlands und Irans.

Verhandlungsort musste wegen einer Uhrenmesse verlegt werden

Der Präsident steht für eine gewisse Stabilität. Die Aufständischen wären bei den Genfer Gesprächen also weitgehend auf sich selbst gestellt. Washington sucht angeblich parallel zu Gesprächen mit dem SNC Kontakt sogar zu den Islamisten in Syrien, die sich nicht zu al-Qaida bekennen. Die in der Islamischen Front zusammengeschlossenen Milizen werden von den Saudis finanziert. Angesichts ihrer Kampfkraft wird man auf dem Weg zu einer Friedenslösung vielleicht auch mit ihnen reden müssen.

Wie mangelhaft die schon mehrmals vertagte Friedenskonferenz augenscheinlich vorbereitet ist, zeigt sich an einem skurrilen Detail. Der Verhandlungsort musste verlegt werden, weil in Genf eine Messe für Luxusuhren läuft. Offenbar hatte keiner im UN-Team in den Veranstaltungskalender geschaut. Die Hotels sind ausgebucht, die Diplomaten und die Vertreter der Kriegsparteien müssen den Verkäufern von Rolex, Breguet und Blancpain zeitweise weichen. Weltpolitik soll nun im nahen Montreux gemacht werden.

Wichtiger als der Konferenzort bleibt aber die Frage, in welche Richtung die UN die Kriegsparteien drängen wollen. Die Assad-Gegner beharren darauf, dass das Aus für den Präsidenten die Bedingung für Gespräche über die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit bleibt. Da das Regime aber militärisch relativ erfolgreich ist, wird die Opposition kaum in der Position sein, Forderungen zu stellen. Über ihre Teilnahme wollen die in der Syrischen Nationalkoalition zusammengeschlossen Oppositionellen daher erst Anfang Januar entscheiden.

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SZ vom 21.12.2013/les
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