Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Syrien:Assad nennt Giftgas-Vorwürfe "Unsinn"

Nun spricht Baschar al-Assad. Syriens Präsident streitet in einem Interview den Einsatz von Chemiewaffen ab. Seine Botschaft an US-Präsident Barack Obama: Sollten die USA in Syrien gewaltsam intervenieren, drohe ihnen ein Scheitern wie in Vietnam. Der britische Außenminister Hague hält eine Reaktion auch ohne UN-Mandat für möglich.

Syriens Staatschef bestreitet weiter, für einen mutmaßlichen Giftgasangriff in seinem Land verantwortlich zu sein. In der russischen Zeitung Iswestija äußerte sich Baschar al-Assad jetzt besonders scharf. Die Vermutungen westlicher Politiker, seine Armee habe chemische Waffen eingesetzt, seien "eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes" und "Unsinn", sagte Assad der kremlnahen Zeitung. Russland ist Syriens Hauptverbündeter.

Der syrische Machthaber ordnete den Konflikt in seinem Land folgendermaßen ein: "Was in Syrien passiert, ist keine Volksrevolution und keine Forderung nach Reform. Das ist Terrorismus." Das Szenario der arabischen Revolutionen habe sich überholt, sagte Assad der Zeitung. Zugleich warnte er die USA vor einem militärischen Eingreifen. Ihnen drohe ein Scheitern wie in allen vorherigen Kriegen, zum Beispiel wie in Vietnam, sagte Assad auf die Frage, was passieren würde, wenn die Vereinigten Staaten Syrien angreifen würden.

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte vor einer US-Militäraktion. Lawrow habe seinem US-Kollegen John Kerry gesagt, dass ein solches Vorgehen "extrem gefährliche Folgen" haben würde, teilte das Außenministerium in Moskau mit. In einem Telefongespräch am Sonntag habe er Kerry erklärt, seine Regierung sei "zutiefst besorgt" über jüngste Äußerungen aus Washington. Dies könne schwerwiegende Folgen für "die ganze Region des Nahen Ostens und Nordafrikas" haben, sagte Lawrow demnach.

Westen hat wenig Zweifel an Assads Schuld

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hatte am Wochenende erklärt, die US-Streitkräfte seien bereit, in Syrien einzugreifen, sollte Präsident Barack Obama dies anordnen. Das Weiße Haus teilte mit, Obama habe die Geheimdienste beauftragt, "Fakten und Beweise" zusammenzutragen. Die Regierung habe eine Reihe von Optionen und werde den "nationalen Interessen" entsprechend handeln.

Nach Darstellung der syrischen Opposition hat die Staatsführung am Mittwoch Giftgas in der Nähe der Hauptstadt Damaskus eingesetzt und so mehr als 1300 Menschen getötet. Im Laufe des Tages sollen Experten der Vereinten Nationen mit der Untersuchung des mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes beginnen.

Die Türkei ist bereit, sich an einer militärischen Koalition für ein internationales Vorgehen gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu beteiligen. Sein Land sei zwar dafür, auf Grundlage von UN-Entscheidungen zu handeln, zitierten türkische Medien am Montag Außenminister Ahmet Davutoglu. Wenn es im Weltsicherheitsrat aber keine Entscheidung gebe, kämen Alternativen auf den Tisch. "Derzeit diskutieren 36 oder 37 Staaten diese Alternativen. Falls in diesem Prozess eine Koalition gegen Syrien entsteht, würde die Türkei in dieser Koalition ihren Platz einnehmen", sagte Davutoglu.

Für eine Reaktion auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ist nach Ansicht der britischen Regierung nicht unbedingt ein UN-Mandat nötig. Es sei "möglich", ohne einen einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats zu handeln, sagte der britische Außenminister William Hague der BBC.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der britische Premier David Cameron haben nach Angaben der Regierung in London "wenig Zweifel", dass der mutmaßliche Giftgaseinsatz "vom Regime ausgeführt" wurde. Sie seien sich einig, dass einem solchen Angriff "eine entschlossene Reaktion der internationalen Gemeinschaft" folgen müsse, erklärte Camerons Büro nach einem Telefonat der Regierungschefs.

Die Bundesregierung wollte am Montagmorgen zu dieser Äußerung Camerons zunächst nicht Stellung nehmen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte jedoch in Berlin, dass Deutschland "Konsequenzen" unterstützen wird, sollte sich der Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung bestätigen. Der FDP-Politiker ließ aber ausdrücklich offen, ob damit auch Militärktionen gemeint sein könnten. Zuvor hatte sein Parteikollege Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel einen Kampfeinsatz der Bundeswehr in Syrien ausgeschlossen.

Obama hat am Sonntag mit seinem französischen Amtskollegen François Hollande die Lage in Syrien besprochen. In dem Telefonat erörterten die beiden Präsidenten "mögliche Antworten" der internationalen Gemeinschaft. Bereits am Samstag hatte Obama mit Cameron gesprochen. Hollande telefonierte nach Angaben des Élysée-Palasts mit Merkel, ebenfalls mit Cameron und mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd.

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