Bürgerkrieg in Syrien:Assad gewinnt Boden

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Pro-Assad-Kundgebun in Damaskus: Es läuft gut für den Diktator. (Foto: AFP)

Russland ist in der Ukraine zu imperialer Politik zurückgekehrt, Amerikas Position gegenüber Moskau verhärtet sich - und der Gewinner könnte Assad sein. Selbst wenn sich der Verdacht auf einen Chlorgas-Einsatz in seinem Land nicht erhärtet, läuft es gut für den syrischen Machthaber.

Ein Kommentar von Sonja Zekri

Wenn es schlecht läuft für Barack Obama, geschieht nun Folgendes: Der Verdacht gegen das Assad-Regime erhärtet sich. Es stellt sich heraus, dass es tatsächlich die syrische Regierung war, die erneut Chemiewaffen - Chlorgas - gegen die Bevölkerung eingesetzt hat. Noch sprechen die USA von "Hinweisen" auf den Einsatz von "Industriechemikalien", noch ist nicht klar, wer verantwortlich ist. Bestätigt sich der Verdacht - Chemiewaffen, Assad -, wäre der US-Präsident wieder in jener unbequemen Lage wie vor knapp einem Jahr.

Damals hatte Obama nach einem Chemiewaffenangriff mit Hunderten Toten mit Luftschlägen gedroht, sich dann aber von Russland auf die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen herunterhandeln lassen. Ein letzter Moment der Harmonie zwischen Obama und Wladimir Putin. Zwei Drittel der syrischen Kampfstoffe hat der syrische Staatschef Baschar al-Assad im Hafen von Lattakia bereitgestellt, wo sie bis Ende Juni abgeholt und zerstört werden sollen. Chlor unterliegt der Chemiewaffenkonvention. Aber es ist nicht so giftig wie Senfgas und stand nie auf der Liste der zu vernichtenden Stoffe, die Syrien mit den UN vereinbart hat.

Es läuft gut für Assad

Aber die Lage ist heute ohnehin völlig anders. Russland ist in der Ukraine zu imperialer Politik zurückgekehrt, Amerikas Position gegenüber Moskau verhärtet sich. Der Gewinner könnte Assad sein. Hat ihn Putins Kraftprotzerei in der Ukraine dazu verführt, Amerika und die Welt mit einem neuen Chemieangriff zu provozieren? Möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich.

Dabei läuft es auch ohne Chlor gut für Assad. Er hat Boden gewonnen, selbst in Homs, einst Wiege des Aufstandes, wankt der Widerstand der Rebellen. Im Juni will Assad wählen lassen. Er hat sogar Gegenkandidaten zugelassen, aber der Sieger wäre natürlich trotzdem er. Dass er große Teile des Landes nicht kontrolliert, stört seine Auffassung von legitimen Wahlen nicht.

Die Gotteskrieger-Cliquen zerlegen sich eifrig selbst

Inzwischen frisst ja nicht nur die Revolution ihre Kinder, sondern sogar der Dschihad. Die diversen Gotteskrieger-Cliquen zerlegen sich eifrig selbst. Zudem ist Syrien inzwischen geradezu zum Traumziel für radikalisierte und verwirrte junge Leute aus Europa geworden, die dort den Sinn im Leben oder im Tod suchen. Und einer unendlich erheiternden, oder abgrundtief verstörenden, Nachricht zufolge haben sich die Dschihadisten des Islamischen Staates im Irak und Großsyrien nun sogar vom Terrornetz al-Qaida losgesagt. Osama bin Ladens Söhne sind den Kämpfern in Syrien - "Bitterkeit erfüllt unser Herz" - nicht radikal genug.

Macht all dies einen amerikanischen Luftschlag auf Syrien als Antwort auf den Chlorgas-Einsatz wahrscheinlicher? Eher nicht, vor allem nicht angesichts des Ukraine-Schlamassels. Stattdessen wächst in Amerika die Erklärungsnot.

Aber natürlich - so weit ist es mit Syrien gekommen - ist auch eine Verantwortung von Rebellen für den Gifteinsatz denkbar. Wer al-Qaida für schlapp hält, der dürfte vor Chlor nicht zurückscheuen.

© SZ vom 23.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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