Gewalt in Libyen:Obama und Cameron fordern Gaddafi zum Rücktritt auf

Die USA und Großbritannien erhöhen den Druck auf den libyschen Machthaber: Sie halten sich alle Optionen gegen Gaddafi offen. Der beschimpft die Rebellen als "Verräter" - und stellt Kritiker in den eigenen Reihen unter Hausarrest.

Angesichts der Proteste und Kämpfe gegen Muammar al-Gaddafi haben die USA und Großbritannien den libyschen Machthaber zum Rücktritt aufgefordert. US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron seien sich einig, dass Gaddafi auf seine Macht verzichten müsse, erklärte das Präsidialamt in Washington nach einem Telefongespräch der beiden Politiker.

Libya's leader Muammar Gaddafi arrives to give television interviews at a hotel in Tripoli

Siegerpose: Libyens Machthaber Gaddafi gab am Dienstag Interviews in einem Hotel in Tripolis.

(Foto: REUTERS)

Obama und Cameron hätten vereinbart, sich auf das "volle Spektrum möglicher Reaktionen" einzustellen. Demnach prüfen die Regierungschefs mehrere Optionen zur Beendigung der Gewalt in Libyen. Wie das Weiße Haus mitteilte, waren sich beide Seiten einig, Pläne für eine ganze Reihe von Maßnahmen voranzutreiben - dies auch bei der Nato. Zu diesen Möglichkeiten gehörten humanitäre Hilfe, das Durchsetzen des Waffenembargos und eine Flugverbotszone.

Der libysche Staatschef ließ an diesem Mittwochmorgen eine Rede im Staatsfernsehen ausstrahlen: Darin beschimpft er die Übergangsregierung als Bande von "Verrätern". In einer Rede vor Anhängern behauptete Gaddafi, die USA, Frankreich und Großbritannien hätten sich gegen Libyen verschworen, um die Öl-Felder unter ihre Kontrolle zu bringen.

In seiner jüngsten Fernsehansprache wandte sich Gaddafi auch an die jungen Männer in der umkämpften Stadt Al-Sintan. Er forderte sie auf, sich von den Rebellen abzuwenden. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, präsentierte er Angehörige eines in der Stadt beheimateten Volksstammes, die ihre Treue zu Gaddafi bekundeten.

Flugverbotszone weiter umstritten

Paris und London bereiten derzeit eine Resolution vor, um im Weltsicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone gegen die libysche Luftwaffe durchzusetzen. Ein entsprechender Entwurf soll noch in dieser Woche im Sicherheitsrat eingebracht werden. Der Schritt gilt als umstritten, Vertreter der Arabischen Liga hatten gefordert, die Souveränität Libyens zu respektieren.

US-Außenministerin Hillary Clinton drängte auf das Einrichten einer solchen Flugsperre durch die internationale Gemeinschaft: Im britischen Fernsehsender Sky New betonte Clinton, die Idee dafür komme vom libyschen Volk selbst, nicht von außen. Der Nationalrat aus Vertretern der Städte im Osten Libyens hatte die Internationale Gemeinschaft mehrfach um die Verhängung einer Flugverbotszone gebeten.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich gegen überhastete Entscheidungen über eine Flugverbotzone aus. "Zwingend erforderlich" seien ein Mandat der Vereinten Nationen und ein Einvernehmen mit der Arabischen Liga, sagte Westerwelle dem Straubinger Tagblatt.

Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) forderte ebenfalls eine Flugverbotszone. "Zivilisten müssen vor Luftangriffen geschützt werden", sagte OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu. Zugleich lehne aber der Zusammenschluss von 57 Ländern jede militärische Intervention in Libyen ab.

Russland sieht eine internationale Militäraktion in Libyen bislang sehr kritisch. An diesem Mittwoch wird US-Vizepräsident Joe Biden zu Gesprächen mit Kremlchef Dmitri Medwedew in Moskau erwartet.

Geheimdienstchef und Verteidigungsminister unter Hausarrest

Am Dienstag hatten die Aufständischen Gaddafi ein Ultimatum von 72 Stunden gestellt, um Angriffe gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen und ins Exil zu gehen. "Wenn er die Bombardierungen einstellt und das Land innerhalb von 72 Stunden verlässt, werden wir als Libyer davon Abstand nehmen, ihn strafrechtlich zu verfolgen", sagte der Chef der Interimsverwaltung der Gaddafi-Gegner, Mustafa Abdul Dschalil, dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira.

Das Regime selbst hatte zuvor massive Angriffe auf die Stellungen der Rebellen geflogen: Kampfflugzeuge griffen den von Aufständischen gehaltenen Ölhafen Ras Lanuf an. Gefechte wurden auch aus Misurata gemeldet, die Stadt Sawija nahe Tripolis lag unter Artilleriebeschuss.

In Tripolis stellte Gaddafi seinen Verteidigungsminister Abu Bakr Junis und den Alt-Revolutionär und langjährigen Geheimdienstchef Mustafa al-Charubi unter Hausarrest. Sie hätten die jüngsten Offensiven abgelehnt, verlautete aus Regierungskreisen.

Zahlreiche Verletzte im Jemen

Derweil gehen die Proteste der Regierungsgegner in anderen Staaten in Nordafrika weiter: Beim harten Durchgreifen von Sicherheitskräften gegen friedliche Demonstranten sind im Jemen zahlreiche Menschen verletzt worden. Der britische Sender BBC sprach von mindestens 50 Verletzten. Tausende von Menschen hatten in der Hauptstadt erneut den Rücktritt von Präsident Ali Abdulla Salih verlangt.

Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira weiter berichtete, eröffneten Polizisten und Sicherheitsbeamte das Feuer, als Demonstranten sich dem Protest von Tausenden anschließen wollten, die seit Wochen vor der Universität der Hauptstadt campieren. Während einer Revolte im Zentralgefängnis der Hauptstadt Sanaa erschossen Wächter am Dienstag mindestens einen Häftling, wie jemenitische Medien berichteten. Bei al-Dschasira hieß es unter Berufung auf einen Häftling, es seien drei Gefangene getötet und vier verletzt worden. Die Gefangenen forderten mehr Rechte und den Rücktritt von Präsident Salih.

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