Bürgerkrieg in Libyen:Aufrecht gegen den Alten

Die Anführer des libyschen Aufstands genießen internationale Anerkennung - doch bisher können sie sich nicht auf eine Linie einigen. Wer sind die wahren Köpfe der Opposition, was wollen sie?

Tomas Avenarius

Nachdem Frankreich die Rebellenregierung in Libyen anerkannt hat, heißt der erste Ansprechpartner für Paris Mustafa Abdel Jalil. Auf den Vorsitzenden des Provisorischen Nationalrats in Bengasi hat Libyens Herrscher gerade ein Kopfgeld ausgesetzt. Muammar al-Gaddafi kennt den 59-jährigen Juristen aus früheren Zeiten und ist ihm in tiefer Abneigung verbunden. Seit Jalil Ende Februar den Nationalrat als "einzige legitime Vertretung ganz Libyens" bezeichnet hat, ist er für das Regime in Tripolis "ein Spion".

Opposition Rebels Battle Gaddafi Forces In Eastern Libya

Der Krieg geht weiter: Während Vertreter der Rebellen erste diplomatische Gespräche führen, kämpfen Freiwillige gegen die Gaddafi-Armee.

(Foto: Getty Images)

Als erster Gaddafi-Getreuer hatte Jalil, damals Justizminister, seinen Posten zu Beginn der Proteste Mitte Februar niedergelegt. Nach der Bildung des Nationalrats ernannten die Vertreter der Aufständischen in den "befreiten Gebieten" Jalil zu ihrem Sprecher. In dieser Funktion forderte er die Vereinten Nationen auf, eine Flugverbotszone über Libyen zu verhängen. Ein Eingreifen ausländischer Soldaten auf dem Boden lehnt er aber ab.

Als Justizminister hatte Jalil versucht, sich gegen Gaddafi zu stellen und damit den Respekt von Menschenrechtsorganisationen gewonnen. So vertrat Jalil die Angehörigen von 1200 politischen Gefangenen, die das Regime im Jahr 1996 an einem einzigen Tag ermordet hatte und deren Leichen einbetoniert wurden. 13 Jahre später konnte der Minister erreichen, dass den Angehörigen eine Entschädigung ausgezahlt wurde.

Jalil, der aus der östlichen Stadt al-Baida stammt, gilt als bescheiden und gefeit gegen Korruption. Religion ist für ihn kein politisches Anliegen, sondern eine persönliche Angelegenheit. Was den Staatschef angeht, hegt Jalil keine Illusionen: "Wenn es kein internationales Eingreifen gibt, wird Gaddafi Libyen zerstören. Es ist ihm egal, wie viele Menschen dabei sterben."

Verteidiger politischer Gefangener

Ein weiterer Vertreter im Nationalrat ist der Rechtsanwalt Abdel Hafis Ghoga. Als Verteidiger politischer Gefangener stand er in Bengasi von Anfang an in der ersten Reihe der Proteste. Vor Ausbruch der Demonstrationen hatte Gaddafi versucht, Ghoga in einem persönlichen Gespräch zum Verzicht auf die Proteste zu bewegen. Ghoga lehnte ab und ist heute Vize-Vorsitzender des Nationalrats. Er betont, dass der Aufstand im Osten die Einheit des Landes nicht bedroht: "Libyen kann nie geteilt werden, Tripolis ist unsere Hauptstadt." Auch Ghoga macht aus seiner Haltung zu Gaddafi keinen Hehl: "Chaos herrscht nur dort, wo das Regime noch an der Macht ist."

Für die internationalen Kontakte der Rebellen sind zudem eine Reihe früherer libyscher Botschafter zuständig. Unklar ist aber, wie geschlossen der Nationalrat die Interessen Libyens vertritt: Nach außen hin sind Brüche erkennbar. So hatte Jalil erklärt, wenn Gaddafi umgehend ins Exil gehe, könne man auf einen Prozess gegen ihn verzichten. Dem hatte der frühere Gaddafi-Innenminister und Armeegeneral Abdul Fatah Junis widersprochen. Auch Junis gilt als einflussreich in der Opposition.

In Portugal sickerten Details des Gesprächs durch, das ein Emissär Gaddafis am Mittwoch in Lissabon mit dem portugiesischen Außenminister Luís Amado führte. Demnach habe der Emissär angedeutet, die libysche Regierung sei bereit, "einen Prozess zur Verhandlung eines Übergangs einzuleiten." Die Zeitung Público schrieb jedoch, es sei nicht klar, ob dies aufrichtiges Einlenken sei oder ein Versuch, Zeit zu gewinnen. Portugals Außenministerium bezeichnete die von libyscher Seite erbetene Unterredung als informelles Treffen.

Portugal ist für Libyen deshalb von Bedeutung, da es im Sicherheitsrats der Vereinten Nationen turnusmäßig dem Komitee vorsitzt, das die Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime überwacht.

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