Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg im Tschad:Rebellen sammeln sich wieder

Der französische Verteidigungsminister Hervé Morin ist zu einem Besuch in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena eingetroffen. Dort hat sich die Lage momentan beruhigt - doch die Rebellen scheinen sich wieder zu sammeln.

Am dritten Tag nach Ende der Kämpfe in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena ist der französische Verteidigungsminister Hervé Morin dort zu einem Besuch eingetroffen. Morin werde später mit dem tschadischen Präsidenten Idriss Déby zusammentreffen, berichtete der französische Radiosender France Info.

Nach Informationen des Außenministeriums hat die französische Armee inzwischen knapp 1300 Ausländer aus dem Tschad ausgeflogen, unter ihnen mindestens 50 Deutsche. Außenminister Bernard Kouchner bekräftigte eine Warnung an die Rebellen, bei weiteren Angriffen stärker als bisher einzugreifen. Es sei die Aufgabe Frankreichs, "die legitime Regierung zu schützen, vielleicht noch etwas entschlossener als bisher", sagte Kouchner dem Sender Europe 1. Präsident Nicolas Sarkozy hatte am Dienstag ein militärisches Eingreifen nicht ausgeschlossen.

Unterdessen sammeln sich Rebellen im Osten der Hauptstadt. Es handle sich um 100 bis 200 Fahrzeuge, sagte Kouchner: "Werden sie erneut angreifen? Oder werden sie fliehen, was wir hoffen". Déby habe die Lage unter Kontrolle. Nach Medienberichten sind weitere Fahrzeuge der Rebellen auf dem Weg von der sudanesischen Grenze in Richtung N'Djamena.

Frankreich hat aufgrund eines Militärabkommens mit dem Tschad seit Jahren dort Soldaten stationiert, derzeit sind es rund 1100. Déby hatte sich 1990 mit französischer Unterstützung an die Macht geputscht.

Rebellen waren im Lauf der vergangenen Woche bis kurz vor N'Djamena vorgerückt und hatten die Hauptstadt am Samstag angegriffen. Schon vor zwei Jahren hatten Aufständische - die nach tschadischer Einschätzung vom benachbarten Sudan unterstützt werden - versucht, die Regierung von Staatschef Idriss Déby zu Fall zu bringen. Die Regierung in Khartum bestreitet eine Verbindung.

Das Französische Rote Kreuz rief unterdessen dringend zu Spenden auf. Die Organisation wolle Mediziner in den Tschad schicken und für Zehntausende tschadische Flüchtlinge in Kamerun Trinkwasser aufbereiten, teilte sie am Dienstagabend mit. Dafür sei schätzungsweise rund eine Million Euro nötig.

Schüsse bei Evakuierung der deutschen Botschaft

Bei der Evakuierung der deutschen Botschaft in der Hauptstadt haben französische Truppen das Feuer eröffnet, wie Außenminister Kouchner heute mitteilte. Während der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen hätten die Soldaten am Flughafen und in der Stadt geschossen, sagte er dem Radiosender Europe 1. "Insbesondere, als sie Menschen aus der deutschen Botschaft holten. Es war sehr schwierig und sehr gefährlich."

Über den Tag des Vorfalls machte er keine Angaben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich "sehr erleichtert über den erfolgreichen Verlauf der Evakuierung" gezeigt und die französische Führung bei der Rettungsaktion hervorgehoben.

Die Vereinten Nationen haben wegen der Kämpfe im Tschad fast alle Mitarbeiter außer Landes gebracht. Die UN könnten nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren, erklärte Generalsekretär Ban Ki Moon am Dienstag. Mit Hilfe der französischen Regierung sei der Großteil des Personals in die Nachbarländer Kamerun und Gabun ausgeflogen worden. Den Weltsicherheitsrat rief Ban auf, sich dafür einzusetzen, "diese schreckliche Krise zu beenden".

Hunderte Tote und eine Flüchtlingswelle

Bei den jüngsten Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen im Tschad sind nach Angaben des Roten Kreuzes mehrere hundert Zivilpersonen getötet worden. Die meisten Opfer seien an Schusswunden gestorben, erklärten Rot-Kreuz-Mitarbeiter, die die Situation in N'Djamena erkundeten. Eine genaue Zahl der Opfer habe man nicht ermitteln können.

Die Drohung Frankreichs mit einem militärischen Eingreifen scheint unterdessen die Kämpfe weitgehend zum Erliegen gebracht zu haben. Wegen der Gefechte rund um N'Djamena sind Zehntausende Menschen über die Grenze nach Kamerun geflohen - nach Angaben der UN-Flüchtlingshilfeorganisation UNHCR seit Montag rund 20.000 Bürger.

Regierungstruppen wurden am Dienstagabend dabei beobachtet, wie sie zwei Brücken über den Fluss Chari in Richtung Kamerun blockierten und damit den Fluchtweg für Hunderte Menschen versperrten. Ein Reporter lokaler Medien berichtete, verängstigte Zivilpersonen seien von den Soldaten zurückgeschickt worden.

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dpa/AFP/AP/Reuters/ihe/maru
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