Bürgerinitiative:Europäer sollen mehr mitreden

Das EU-Parlament ist für eine Reform der Europäischen Bürgerinitiative. Nur dann hätten Vorstöße Aussicht auf Erfolg. Nur drei von 52 Initiativen konnten genügend Unterschriften sammeln.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Als sie 2012 eingeführt wurde, im Zuge des Vertrags von Lissabon, wurde die Europäische Bürgerinitiative allseits begrüßt. Mit dem neuen Instrument könne das immer wieder beklagte "demokratische Defizit" in der Europäischen Union ein wenig verkleinert werden, hieß es, weil der einzelne Bürger die Politik nun direkter beeinflussen könne. Drei Jahre später haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Bilanz gezogen. Sie lautet: Im Großen und Ganzen ist die Neuerung gelungen, im Detail aber sollte kräftig nachgebessert werden, um die Erfolgsaussichten der Vorstöße zu erhöhen. Es sei Zeit für eine "Generalüberholung", sagt Sylvia-Yvonne Kaufmann (SPD), man müsse die Hürden senken. "Wir wollen und brauchen mehr Bürgerbeteiligung."

52-mal haben Initiativen versucht, innerhalb eines Jahres eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Ländern für ihr Anliegen zu sammeln. Nur dreimal ist es gelungen. Doch erst wenn diese Schwelle übersprungen wird, muss sich die EU-Kommission mit dem Thema beschäftigen. Ob und wie sie dann reagiert, kann sie selbst entscheiden, muss das aber begründen. Die Behörde ist deshalb der Adressat - und nicht, wie meist bei nationalen Referenden, das Parlament -, weil sie am Anfang fast aller Rechtsetzungsakte in der EU steht. So wurde sie mit der Bitte konfrontiert, sich für ein Ende der EU-Finanzierung von embryonaler Stammzellforschung einzusetzen. Die Kommission wies das zurück: Die bestehenden Bestimmungen garantierten schon eine ethisch einwandfreie Forschung. Ähnlich beschied sie die Kampagne für den Stopp aller Tierversuche: Ein sofortiges Ende sei nicht möglich, und schon jetzt würden EU-Regelungen empfehlen, die Zahl der Tierversuche möglichst zu begrenzen und langfristig auf null zu bringen.

Bürger sollen unabhängig vom Wohnsitz unterschreiben dürfen, und zwar schon mit 16

Weit mehr Erfolg hatten die Initiatoren der Initiative "Right2Water", die 1,8 Millionen Menschen unterschrieben. Sie traten für einen freien Zugang zu Wasser und zur sanitären Grundversorgung ein und protestierten gleichzeitig gegen Gesetzespläne der Kommission zur Liberalisierung der Wasserwirtschaft. Weil das Vorhaben auch über die Bürgerinitiative hinaus viel Wirbel ausgelöst hatte, knickte die Kommission rasch ein. Zwar wies sie den Vorwurf weit von sich, sie habe die Wasserversorgung privatisieren wollen, entfernte den Bereich aber dennoch aus einer Richtlinie, die einheitliche Regeln zur Vergabe von Konzessionen für Dienstleistungen schaffen sollte. Derzeit werden noch Unterschriften für eine Initiative gegen Plastik in den Weltmeeren gesammelt.

Der Reformkatalog des Parlaments, der am Mittwoch verabschiedet wurde, greift unter anderem Vorschläge der Kommission auf. So soll das Mindestalter für die Teilnahme von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden, Bürger sollen unabhängig vom Wohnsitz unterschreiben können und zwar auch ohne Vorlage einer persönlichen Identifikationsnummer. Organisatoren sollen leichter Rechtsberatung erhalten. Geplant ist auch, die Bürgerinitiativen künftig selbst entscheiden zu lassen, wann sie mit dem Sammeln der Unterschriften beginnen. Bisher läuft die Frist vom Tag der Registrierung an. Weil man sich Letzterer nicht sicher sein kann, erschwert das die Vorbereitung einer Kampagne.

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