Das Bürgergeld ist eine politische Enttäuschung. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben daher verabredet, die Regeln für Bürgergeldempfänger zu verschärfen. Außerdem wollen sie über ein spezielles Problem reden: Wer aus der Langzeitarbeitslosigkeit einen Job annimmt oder als Niedriglöhner mehr Stunden arbeitet, hat hinterher oft kaum mehr Netto als vorher – weil etwa die eine Sozialhilfe bei steigenden Einkommen wegbricht, während die andere noch nicht greift. Der Sozialstaat verhindert in diesen Fällen, dass sich Arbeit lohnt.
Habecks Wirtschaftsministerium hat daher vom Ifo-Institut durchrechnen lassen, wie es anders gehen könnte. Die Fachleute sehen eine Reformoption, die volkswirtschaftlich verdienstvoll wäre: Hochgerechnet 144 000 Menschen würden zusätzlich eine Vollzeitstelle antreten, die Kosten für Sozialhilfen insgesamt sinken.
Politisch äußerst heikel
Der Effekt ergibt sich vor allem daraus, das Wohngeld zu reformieren. Das ist ein Staatszuschuss zur Miete für Menschen, die arbeiten, aber verhältnismäßig wenig verdienen. Dieser Zuschuss könnte ins Bürgergeld integriert werden. Mehr Arbeit würde sich dann – wie die Ifo-Experten aufwendig vorrechnen – auch mehr lohnen.
Doch politisch wäre eine solche Sozialstaatsreform äußerst heikel. Denn würde das Wohngeld künftig analog zu den Kosten der Unterkunft der Bürgergeldempfänger berechnet, dann verursacht das laut Ifo deutlich höhere Zahlen in der Statistik der Grundsicherung: Etwa 1,6 Millionen Haushalte mehr würden Bürgergeld bekommen. Derzeit sind es etwa drei Millionen. Ein Plus von 50 Prozent in der Bürgergeldstatistik als Fortschritt zu verkaufen, scheint angesichts der hitzigen Debatte über die Grundsicherung eine enorme Herausforderung, auch wenn der Staat insgesamt weniger Menschen Unterstützung zahlen muss, weil ja mehr Leute arbeiten würden.
Es könnte möglich sein, nur die Berechnungsmethoden von Wohngeld und Bürgergeld technisch anzupassen, die Gruppen namentlich jedoch weiter zu trennen. Das ist aber komplex. So oder so: Eine Sozialstaatsreform zu beginnen, wenn das Ende der Legislatur schon in Sicht ist, wäre ambitioniert. Im Wirtschaftsministerium sieht man das Ifo-Papier daher vor allem als Debattenbeitrag, das jetzt in der Regierung diskutiert werden könne – wie verabredet.