Bürgergeld:"Schäbigkeitswettbewerb" - Lindner attackiert die Union

Bürgergeld: Die FDP hatte selbst Nachbesserungen gefordert - nun aber will Bundesfinanzminister Lindner das Bürgergeld gemeinsam mit Kanzler Scholz (links) durchsetzen.

Die FDP hatte selbst Nachbesserungen gefordert - nun aber will Bundesfinanzminister Lindner das Bürgergeld gemeinsam mit Kanzler Scholz (links) durchsetzen.

(Foto: Emmanuele Contini/Imago)

Trotz Nachbesserungen der Bundesregierung wollen die Christdemokraten offenbar bei Ihrem "Nein" zum Bürgergeld im Bundesrat bleiben. Das könnte den Zeitplan für die Reform gefährden.

Nach der Vorstellung eines Kompromisses im Streit um das Bürgergeld hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Kritik der Opposition an der Sozialreform zurückgewiesen. "Vor allem beim Schonvermögen rate ich ab, in einen Schäbigkeitswettbewerb einzutreten", sagte der FDP-Vorsitzende der Welt am Sonntag.

Wenn Menschen wegen eines Schicksalsschlags in den Bezug rutschen, sollten sie nach Lindners Worten nicht das verzehren müssen, was sie sich vielleicht über Jahrzehnte aufgebaut hätten. Das Schonvermögen umfasst bestimmte Freibeträge beim Vermögen, die man nicht zum Bestreiten seines Lebensunterhalts einsetzen muss. In den ersten zwei Jahren liegt das Schonvermögen eines Bürgergeldempfängers bei 60 000 Euro, jede weitere Person im Haushalt darf 30 000 Euro besitzen. Auch das Wohneigentum soll nicht angetastet werden. Neben der Union hatte auch der Bundesrechnungshof dies als "unverhältnismäßig" kritisiert.

Die Ampel hatte sich nach der Kritik auf Änderungen am Bürgergeld geeinigt. Entsprechende Pläne wurden am Freitag bekannt. Auch die Liberalen hatten nach der verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen Nachbesserungen gefordert. Die Union hatte sogar mit einer Blockade der Reform im Bundesrat gedroht. Kommt es dazu, muss das Gesetzespaket in den Vermittlungsausschuss, was den Zeitplan für die Reform in Gefahr bringen würde.

Änderungen bei Heizkostenzuschuss und Vermögensauskunft

Das Bürgergeld soll nach den Plänen der Bundesregierung zum 1. Januar die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen zudem um rund 50 Euro pro Monat steigen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte den Plan als "eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren" bezeichnet. Insbesondere die SPD will damit das Thema Hartz IV hinter sich lassen, das in der Partei zu jahrelanger Unruhe geführt hat.

Wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Formulierungshilfe an die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hervorgeht, soll es nun unter anderem bei der zweijährigen Karenzzeit für Leistungsempfänger einige Verschärfungen geben. Vorgesehen ist etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen.

Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah an dieser Stelle kein Limit für die Kostenübernahme vor. Das hatte die Union scharf kritisiert. Neu ist etwa auch, dass Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch zusätzlich eine Selbstauskunft beifügen müssen. Auch so soll Leistungsmissbrauch vorgebeugt werden. Der Kompromissvorschlag soll nach dpa-Informationen am Dienstag von den Fraktionen abgesegnet werden.

"Kosmetik" sagt die CDU zu den Änderungen

Am kommenden Donnerstag will sich der Bundestag in zweiter und dritter Lesung mit der Reform befassen. Vorbehalte der Opposition wurden offenbar auch nach Bekanntwerden der geänderten Pläne nicht ausgeräumt. So sagte die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann, der dpa: "Unsere Kritik bleibt: Das Bürgergeld ist eine Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern."

Die in Aussicht gestellten Anpassungen änderten nichts an der Substanz des Bürgergelds. Der neue Ampel-Entwurf sehe zwar strengere Regeln für Bürgergeld-Empfänger vor. Aber: "Das sind keine ernsthaften Änderungen - das ist Kosmetik", so Connemann. "Noch immer gibt es keine ernsthaften Anreize, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Noch immer soll Geld gezahlt werden, auch wenn keine Leistungsbereitschaft vorliegt."

Politiker der Regierungsfraktionen warfen der Union die Verbreitung von Fakenews vor. Sie streue falsche Zahlen und spiele Geringverdiener gegen die Menschen aus, die auf den Staat angewiesen seien, sagte etwa SPD-Chef Lars Klingbeil am Samstag bei einer Veranstaltung seiner Partei in Berlin. Die Union sei eine Verbindung zweier Parteien, "die unter Markus Söder und Friedrich Merz lügt mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten", sagte er weiter.

Finanzminister Lindner sagte dagegen der Welt am Sonntag: "Das Bürgergeld belohnt Hinzuverdienst und Qualifikation, Verweigerung von Mitwirkung wird sanktioniert. Das Bürgergeld ersetzt Hartz IV nicht durch Lässigkeit, sondern durch mehr Leistungsprinzip." Arbeitsminister Heil sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Ampel habe schnell auf die Forderungen des Bundesrats reagiert und werde im Bundestag noch zahlreiche Änderungen vornehmen. "Die Erstattung der Heizkosten wird beispielsweise auf Angemessenheit überprüft, um keine falschen Anreize zu setzen. Und die Jobcenter haben stärkere Möglichkeiten, gegen Leistungsmissbrauch vorzugehen." Damit komme die Ampel den Forderungen der Union entgegen.

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