Reformprojekt der Ampel:FDP bringt Kompromiss beim Bürgergeld ins Spiel

Reformprojekt der Ampel: Etwa 50 Euro mehr für einen Erwachsenen soll es von Januar an geben, das sieht die Bürgergeld-Reform der Ampel vor. Doch es muss erst ein Kompromiss mit der Union gefunden werden - nicht über die Erhöhung der Bezüge, sondern über andere Details.

Etwa 50 Euro mehr für einen Erwachsenen soll es von Januar an geben, das sieht die Bürgergeld-Reform der Ampel vor. Doch es muss erst ein Kompromiss mit der Union gefunden werden - nicht über die Erhöhung der Bezüge, sondern über andere Details.

(Foto: Imago)

Vor allem am Wegfall einiger Sanktionsmöglichkeiten stören sich CDU und CSU, deren Zustimmung für die Reform nötig ist. FDP-Fraktionschef Dürr deutet nun an, dass hier die Chance auf eine Einigung liegen könnte - "wenn die Union dieses Symbol braucht".

Nach der gescheiterten Verabschiedung des Bürgergelds hat die FDP erneut Signale für einen möglichen Kompromiss zwischen Ampelkoalition und der oppositionellen Union ausgesendet. "Es bringt ja nichts, wenn alle auf dem Baum bleiben", sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Bundesländer, in denen CDU oder CSU an der Regierung beteiligt sind, hatten das Reformprojekt der Ampel am Montag im Bundesrat abgelehnt oder sich der Stimme enthalten. Daher muss nun der Vermittlungsausschuss eine Lösung finden, ein Gremium, das paritätisch mit Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates besetzt ist. Die Bundesregierung hofft, dass das möglich schnell gelingt und bis spätestens Ende November eine Lösung gefunden wird. Denn nur dann kann die Reform, wie von Arbeitsminister Hubertus Heil geplant, zum 1. Januar umgesetzt werden.

Die Union verbreite "Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt", sagte FDP-Mann Dürr. Es sollten nur die möglichen Sanktionen für Empfänger wegfallen, die am Anfang des Bezugs ohnehin keine Relevanz haben. Ziel dabei sei es, Bürokratie abzubauen. "Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich dafür offen, Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten."

Die Union stört sich an der geplanten "Vertrauenszeit" von einem halben Jahr, in der Bürgergeld-Beziehern bei Fehlverhalten praktisch keine Leistungskürzungen drohen. Der FDP-Politiker schließt aber aus, allein die Beträge der heutigen Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wie dies die Unionsspitzen gefordert hatten. "Wenn wir nur die Regelsätze erhöhen, wie die Union das will, verringern wir den Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen", so Dürr. Tatsächlich wolle die Koalition mit dem Bürgergeld bei Aus- und Weiterbildung und bei der Teilzeitarbeit zusätzliche Arbeitsanreize schaffen.

Gewisse Sanktionsmöglichkeiten im Gesetz beizubehalten, so wie es FDP-Fraktionschef Dürr andeutet, hat die Union am Tag nach der Abstimmung im Bundesrat erneut gefordert. "Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können", sagt Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Augsburger Allgemeinen. Diese Position wolle die Union im Vermittlungsausschuss vertreten. Den Weg zu einem "bedingungslosen Grundeinkommen" werde man nicht mitgehen. "Wer das Prinzip 'Fördern und Fordern' aufgeben will, kann von uns keine Zustimmung erwarten", sagt Frei.

Kinderschutzbund kritisiert die Union

Mit dem Bürgergeld soll zum 1. Januar kommenden Jahres das derzeitige Hartz-IV-System abgelöst werden. Der monatliche Regelsatz für alleinstehende Erwachsene soll mit der Reform von 449 auf 502 Euro steigen. Dem stimmt auch die Union zu. Neben dem Wegfall einiger Sanktionen stört sie sich aber auch an weiteren Details, etwa an der Erhöhung des sogenannten Schonvermögens, das Leistungsbezieher behalten dürfen. Bis zu 60 000 Euro sollen zwei Jahre lang geschützt werden, für jede weitere Person im Haushalt weitere 30 000 Euro. Wie hier ein Kompromiss aussehen könnte, ist noch unklar.

Dennoch blickt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, optimistisch auf die kommenden Wochen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir im Vermittlungsausschuss einen guten Kompromiss finden werden", sagte Mast im Deutschlandfunk. Auch Mast widerspricht der Darstellung der Union. "Es gibt keine sanktionsfreie Zeit", sagte sie. Vom ersten Tag an seien Bezieherinnen und Bezieher des Bürgergelds zur Mitwirkung verpflichtet. Wer mehrfach Termine beim Jobcenter nicht wahrnehme, könne mit Sanktionen belegt werden. "Wir wollen kein bedingungsloses Grundeinkommen", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete.

Der Kinderschutzbund kritisiert die unionsgeführten Länder für ihre Blockade des Bürgergelds. "Die Verweigerungshaltung der Union beim Bürgergeld ist unanständig", sagt der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Familien mit Kindern seien von den aktuellen Krisen besonders hart betroffen. Ähnlich äußert sich der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher. "Die Ablehnung von CDU und CSU ist ein fatales Signal an die Solidarität in der Gesellschaft in schon schwierigen Zeiten", sagt Fratzscher der Rheinischen Post. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband ruft Bund und Länder zu einer schnellen Einigung auf. "Wer jetzt nicht schnell und konsequent handelt, nimmt in Kauf, dass Armut weiter steigt und die Not der Menschen zunimmt", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der Stuttgarter Zeitung.

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