Bürgergeld:Ein Albtraum soll enden

Bürgergeld: Hubertus Heil stimmt im Bundestag für das Gesetz, das er auf Druck der Union ändern musste. Trotzdem sagt er: "Das ist ein sehr gutes Gesetz."

Hubertus Heil stimmt im Bundestag für das Gesetz, das er auf Druck der Union ändern musste. Trotzdem sagt er: "Das ist ein sehr gutes Gesetz."

(Foto: Christian Spicker/Imago)

Das Bürgergeld kommt. Für die SPD ist das System Hartz IV, das sie so viele Sympathien gekostet hat, damit Geschichte. Doch geht die Reform dafür weit genug?

Von Roland Preuß, Berlin

Es war eine Beerdigung erster Klasse, die am Freitag in Bundestag und Bundesrat zu besichtigen war. Mit großer Mehrheit stimmten beide Häuser dafür, Hartz IV durch das Bürgergeld zu ersetzen. Auch die Länder mit Regierungsbeteiligung der Union und sogar das vom linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow geführte Thüringen hoben in der Länderkammer die Hand zum Abschied vom alten System. Für die Sozialdemokraten ist es eine fröhliche Beerdigung, für sie findet ein Albtraum ein zumindest vorläufiges Ende, der vor etwa 20 Jahren seinen Anfang nahm. "Es war richtig, damals eine große Reform anzugehen", sagt Arbeitsminister Hubertus Heil im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Aber es sind damals auch grundlegende Fehler gemacht worden."

Damals, das war die Zeit der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD). Der hatte zu seinem Amtsantritt 1998 erklärt, er werde sich an der Zahl der Arbeitslosen messen lassen. Als die Zahl bald wieder stieg, nahm sich der Kanzler eine große Arbeitsmarktreform vor. Eine von der Regierung berufene Kommission erarbeitete Vorschläge - unter Vorsitz des VW-Managers Peter Hartz, der den Reformen bis heute ihren inoffiziellen Namen verleiht. "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft", sagte Schröder im Jahr 2001.

In Gesetzesform gegossen bedeutete dies: Langzeitarbeitslose mussten annähernd jeden Job annehmen, mussten bis auf eine kleinere Summe ihr Vermögen aufbrauchen. Wer nicht mitmachte, dem kürzten die Jobcenter das Geld, im äußersten Fall bis auf null. Schröder knüpfte sein politisches Schicksal an die Durchsetzung dieser Reformen.

Viele Sozialdemokraten sahen damit auch das Schicksal ihrer Partei besiegelt. Anhänger wandten sich wütend ab, warfen den Genossen Verrat an Arbeitnehmerinteressen vor, Führungsfiguren gingen im Streit, die bekannteste unter ihnen war Ex-Parteichef Oskar Lafontaine. "Hartz IV muss weg. Das ist Armut per Gesetz", sagte er. Anfang 2005 trat Hartz IV in Kraft, bei der folgenden Bundestagswahl konnte die Linke ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Sie hat seither, trotz der Erfolge gegen die Arbeitslosigkeit, nie aufgehört, Hartz IV als Schweinerei zu brandmarken.

"Sanktionen gibt es nur noch für ganz hartnäckige Fälle."

Nun also soll das Bürgergeld dieses Stigma heilen. Die Union hat wichtige Teile der Ampel-Reform noch verschärft, ehe sie in Bundestag und Bundesrat zustimmte. Arbeitsminister Heil aber zeigt sich dennoch zufrieden, für ihn ist der Job erledigt. "Wir lassen mit dem Bürgergeld am 1. Januar das alte System Hartz IV hinter uns", sagte Heil der SZ. "Das ist ein sehr gutes Gesetz." Der Arbeitsminister macht das auch an den Sanktionen gegen Hilfebezieher fest, ein Thema, das besonders heftig diskutiert wurde. "Es wird keine unsinnigen Sanktionen mehr geben", sagt Heil. "Wir setzen auf Kooperation, Ermutigung und Qualifizierung statt auf Generalverdacht. Sanktionen gibt es nur noch für ganz hartnäckige Fälle."

Auch sonst wird sich einiges ändern im Vergleich zu Hartz IV. Die Bürgergeldbezieher werden nicht mehr vorrangig fast jeden Job annehmen müssen, stattdessen sollen sie viel häufiger als bisher eine Ausbildung nachholen können. "Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung", sagt Heil. Auch ihr Vermögen wird deutlich mehr geschont, sie dürfen mehr davon behalten, wenn sie Bürgergeld beziehen. Die Menschen würden all dies in ihrem Lebensalltag spüren, sagt Heil. "Das wird helfen, die gesellschaftliche Debatte zu entgiften."

Nachbesserungen an Hartz IV gibt es schon seit vielen Jahren, das Bürgergeld ist nur der letzte Abschnitt, der die Sache nun zu Ende bringen soll. Es ist die zwölfte gesetzliche Änderung an Hartz IV, wenn auch eine besonders umfassende. Das Bundesverfassungsgericht hat mit drei Urteilen eingegriffen, zuletzt, indem es vor drei Jahren die Geldkürzungen stark beschränkte.

Reicht das, damit die soziale Grundsicherung künftig auch im Volksmund Bürgergeld heißt statt Hartz IV? Das hängt nun auch von den anderen Parteien ab. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spottete diese Woche über das "Hartz-IV-Update", das stets missverständlich als Bürgergeld bezeichnet werde. Die Union hat kein Problem, den Begriff zu benutzen, weil sie Hartz IV im Grunde richtig findet. Und die Linke hält an dem Begriff fest, weil Hartz IV für sie immer Inbegriff des sozialen Kahlschlags war. "Es bleibt dabei: Hartz IV muss weg", erklärten Partei- und Fraktionsspitze sowie Ländervertreter am Freitag. Für die, die sich nur so halb verabschieden wollen von Hartz, kursieren bereits Zwischenformen: "Hartz V" etwa oder "Bürgerhartz".

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