Bürgerdialog:Die Regierung sucht das gute Leben

Bürgerdialog: Auf Augenhöhe: Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel unterhalten sich mit Bürgern über Zukunftsfragen.

Auf Augenhöhe: Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel unterhalten sich mit Bürgern über Zukunftsfragen.

(Foto: John Macdougall/AFP)

Angela Merkel und Sigmar Gabriel eröffnen einen neuen Bürgerdialog. Ergebnisse sollen bis Mitte 2016 in einen Aktionsplan einfließen.

Von Laura Hertreiter, Berlin

Was für die Bundeskanzlerin ein gutes Leben bedeutet? Angela Merkel (CDU) antwortet mit Bedacht. Gesund bleiben möchte sie und, ja, Spaß an der Arbeit haben. Was dem Bundeswirtschaftsminister wichtig ist? Die Antwort kommt zackig: seine beiden Töchter, "die Mädels".

Angela Merkel und Sigmar Gabriel (SPD) haben am Montag also den Anfang gemacht und bei der Auftaktveranstaltung in Berlin und selbst die wichtigsten Fragen ihres neuen Bürgerdialogs beantwortet. Unter dem Titel "Gut leben in Deutschland" soll es die erste von mehr als 150 Veranstaltungen sein, auf denen Menschen im ganzen Land bis zum Herbst darüber sprechen sollen, was gutes Leben in Deutschland bedeutet. Zum Teil mit den Ministern, zum Teil mit der Kanzlerin oder ihrem Stellvertreter. Vor allem aber miteinander.

Was ein gutes Leben bedeute, ändere sich im Laufe des Lebens sowie im Laufe der Geschichte, sagte Angela Merkel. "Wir wollen wissen, wie die Menschen heute ihre Schwerpunkte setzen." Wie es um die Lebensqualität im Land bestellt ist, was diese ausmache und wie sie politisch verbessert werden könne.

Im Publikum trug die Mehrheit ergrautes Haar, Sakkos und Krawatten. Und auch generell stellt sich bei Projekten wie diesem die Frage, ob nicht nur die mitspielen, denen das Spiel ohnehin gefällt. Ein einsamer Quotenjugendlicher sitzt auf dem Podium direkt neben Angela Merkel. Der Zwölftklässler Tom Beyer ist Mitglied der Bundesschülerkonferenz. "Demokratie ist keine Dienstleistung, da muss man mitmachen, damit man davon auch was hat", sagt er. Die Sitznachbarin strahlt.

Es gebe ein paar Dinge, die jedem Jugendlichen wichtig sind, sagt er weiter. Öffentliche Verkehrsmittel zum Beispiel. "Klingt jetzt wie eine Kleinigkeiten, ist aber eine große Sache, wenn man gerade auf dem Land immer überall hingefahren werden muss", sagt er.

Um solche Anliegen soll es in den weiteren Bürgerforen gehen, die von Volkshochschulen, Stiftungen, Gewerkschaften oder Verbänden im ganzen Land organisiert werden. Die sollen, so lautet der Plan, auch Menschen aus Alphabetisierungs- und Schulabschlusskursen einladen, aus Behinderten-, Jugendeinrichtungen, Seniorenheimen. Aber auch online sucht die Regierung nach Antworten. Zumindest zu Beginn mit mäßigem Erfolg. Am Montagmorgen wurde die Website gut-leben-in-deutschland.de freigeschaltet. In den ersten Stunden antwortete gerade mal ein Dutzend Nutzer auf die Fragen der Kanzlerin. Es geht um das Schulwesen, Diskriminierung, das Bankensystem.

Seit Jahren gibt es im In- und Ausland Bemühungen, Wohlstand nicht mehr allein am Bruttoinlandsprodukt zu bemessen, sondern auch an Faktoren wie Umweltverträglichkeit, Bildungschancen oder sozialer Gerechtigkeit. In Deutschland hat sich bereits vor fünf Jahren eine Enquete-Kommission auf die Suche nach einem neuen Messwert gemacht.

Auch dass Angela Merkel das Gespräch mit den Bürgern sucht, ist keine Neuheit. 2009 beantwortete die Kanzlerin vor laufenden RTL-Kameras die Fragen von 100 gecasteten Bürgern, 2011 und 2012 tourte sie durchs Land, befragte Bürger und Experten und sammelte online Vorschläge für die Zukunft ihres Landes. Den damaligen Dialog bezeichnet sie nun als "Versuch".

Diesmal sollen die Sorgen und Wünsche der Bürger auf die Ausgangsfragen "Was ist Ihnen im Leben besonders wichtig?" und "Was macht Lebensqualität in Deutschland aus?" von Wissenschaftlern ausgewertet werden. So sollen ein Bericht zur Lebensqualität in Deutschland und ein Indikatorensystem für das entstehen, was diese Lebensqualität hierzulande ausmacht. Bis Mitte nächsten Jahres, also im Vorwahlkampf, soll daraus ein Aktionsplan mit Maßnahmen abgeleitet werden. Zum Ende der Legislaturperiode wolle die Regierung mit der Umsetzung beginnen, lautet Merkels optimistischer Zeitplan. "Es soll nicht alles auf den Sanktnimmerleinstag verschoben werden."

Wirtschaftsminister Gabriel sagte, die Ergebnisse würden dann "die politische Kontroverse bestimmen. Wir wollen sie nicht zu einer Konsenssoße zusammenführen". Was aus den einzelnen Ideen wird, solle nachvollziehbar sein wie der Weg eines Postpakets.

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